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Monat: August 2019

30.8.2019

30.8.2019

In Frankfurt, so hat es den Eindruck, muss alles größer, besonders, ganz speziell, eben einmalig sein. So eine Altstadt wie hier gibt es nirgendwo sonst; das Bahnhofsviertel ist das Tollste und Lebenswerteste aller Bahnhofsviertel; Europa-League ohne die Eintracht geht gar nicht und die Fans sind sowieso das Beste, was Deutschland auf diesem Sektor zu bieten hat. Egal, wie Fußball gespielt wird, der Gang ins Stadion lohnt schon wegen der Stimmung, die die Fans machen, und zwar völlig unabhängig von der Qualität dessen, was auf dem Rasen geboten wird. Frankfurt – Stadt des Hypes.

Jetzt ist noch eine weitere Dimension dazugekommen: Frankfurt wird zur Fahrradstadt. Konnte man heute jedenfalls den Zeitungen entnehmen – gestern hatte die Fahrrad-Initiative zur Demo auf den Römerberg geladen, um die Beschlussfassung der Stadtverordneten über das Radwegekonzept gebührend zu feiern, das nach Ansicht der Initiatoren dieses Ergebnis haben wird. Da fragt man sich doch wirklich, ob die noch alle Tassen im Schrank haben. Gut, es werden nun, nach langen Einigungsgesprächen, ein paar Fahrradwege neu gebaut, einige lebensgefährliche Engstellen beseitigt und ein paar weitere Fahrradwege aufgemöbelt. Als passionierter Radler begrüße ich das, aber Fahrradstadt??? Das sind doch nur die allernotwendigsten Reparaturen, um ein völlig fehlgeplantes Verkehrssystem langsam mal auf die Füße zu stellen und allen Verkehrsteilnehmern – und nicht nur den Autofahrern – in angemessener Weise zu ihrem Recht zu verhelfen. Die Bezeichnung Fahrradstadt haben Kopenhagen oder vielleicht Freiburg (aber nur bedingt!) verdient, aber bis Frankfurt dahin kommen wird, sind wahrscheinlich alle Wälder vertrocknet. Zum Glück geht es jetzt in die richtige Richtung. Aber wer hat es nötig, so zu übertreiben?

29.8.2019

29.8.2019

Es kommt immer auf den Blickwinkel an. Jede Situation ermöglicht unterschiedliche Reaktionen, und diese hängen davon ab, worauf der Fokus der Wahrnehmung gerichtet ist. Letztendlich bestimmt er dann die geistige und seelische Verfassung, in der man sich befindet. Schön, dass das immer wieder praktisch deutlich wird.

Dienstliche Verrichtungen führten mich dieser Tage nach Langenselbold, und zur Sicherung der körperlichen Fitness angesichts zweitägigen Sitzprogramms entschied ich mich, das Fahrrad mitzunehmen. Die Rückfahrt sollte weitgehend auf dem Fernradweg R 3 zurückgelegt werden, denn den gibt es, damit er auch befahren wird. Erbaulich ist diese Tour nicht gerade – genau auf dieser Teilstrecke führt der Radweg oft entlang von Autobahnen und Schnellstraßen oder kreuzt sie und der Lärmpegel schwankt bis zum Unerträglichen. Man passiert die schrecklichen Ergebnisse der Planungswut der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, wird unausweichlich zum Opfer der Auswirkungen des Primats des Autoverkehrs, der dieses Land immer noch beherrscht, und fährt doch immer wieder durch geradezu beschaulich-idyllische Naturschutzgebiete oder jedenfalls übrig gebliebene Restzonen ehemals unendlicher, zusammenhängender Flächen unberührten Daseins. Es mutet schon grotesk an – direkt neben den Auf- und Abfahrschleifen eines Autobahnkreuzes könnte man ins Wasser der verbliebenen, dunkel leuchtenden Seen in der Hanauer Bulau springen! Nachts sagen sich hier Fuchs und Hase gute Nacht und nebenan braust der Verkehr. Verrückt. Also: Schön, dass es solche Oasen noch gibt? Oder: Wie grausam, die Umgebung, in der der Mensch immerhin leben möchte, so zugrunde zu richten?

24.8.2019

24.8.2019

Das Älterwerden wird immer wieder von außen bestätigt. Da kann man gar nichts tun. Heute feierte der langjährige Inhaber des Wein-Depots, bei dem ich früher Stammkunde war, gewissermaßen seinen „Ausstand“. Bei einem kleinen Crémant konnte ein wenig geplaudert werden, bevor er am 1.9. den Laden seinem Nachfolger übergibt. Das war Grund genug, mal wieder dorthin zu fahren, mit dem Rad, weil größere Einkäufe nicht in Aussicht standen. Wer sich – zwar nicht mehr strikt, aber doch noch in Grundzügen – ketogen ernährt, kann nicht gleichzeitig so weiterbechern wie in früheren Zeiten.

Auch der Weg hin und zurück ist mit Erinnerungen gepflastert. Er führt durch die Nordweststadt, meine ehemalige Heimat. Der Martin Luther King-Park ist eine grüne Wildnis geworden, ein richtiges Natur-Kleinod. Ich war noch Zeuge, wie in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts amerikanische Planierraupen – Saurier auf Rädern; so was hatte ich vorher noch nicht gesehen – das brachliegende Gelände innerhalb weniger Tage in Form brachten. Die Bäumchen, die damals gesetzt wurden, hatten selbst dann noch nicht eine passable Größe erreicht, als wir nach einigen Jahren fortzogen. Dementsprechend kahl wirkte der Park, und der Teich war eine eigentlich gar nicht vorgesehene Ansammlung von Brackwasser, das jeden Sommer zum Himmel stank. Wer heute den Park durchmisst, kann von alledem nichts mehr ahnen. Die Bäume verdecken mittlerweile sogar den Blick auf unser Hochhaus. Auch die Nilgänse sind hier heimisch geworden, klar; nicht nur die Nidda bietet Terrain zum Brüten… Und beim Vorbeifahren an meiner ehemaligen Schule, die damals im Mittelpunkt heftiger, ja gleichsam kulturrevolutionärer Auseinandersetzungen von Elternschaft und Schulpolitikern stand, erreicht die melancholische Stimmung ihren Höhepunkt: Die ist tatsächlich fast noch so wie damals!

23.8.2019

23.8.2019

Die Behäbigkeit der Frankfurter Behörden zeigt sich, oft schon war es hier Thema, auch anderenorts, etwa am Platz vor dem Hauptbahnhhof. In seinem heutigen Zustand macht er ehemaligen Plätzen in der seligen DDR alle Konkurrenz, und trotz aller gegenteiliger Bekundungen der Verantwortlichen der Stadt ist nicht einmal zu ahnen, wann hier der Bagger kommen wird, um den Grauslichkeiten ein Ende zu setzen.

Verloren ist man auf diesem Platz indes vor allem als Radfahrer. Verwöhnt von der Friedrich Ebert-Anlage, die mittlerweile bis in Höhe des Platzes der Rebublik, der eigentlich nur eine Kreuzung, aber kein Platz ist (doch wen juckt das schon), von einem modernen, vor allem aber durchgehenden Fahrradweg gesäumt ist, freut sich der Radfahrer in der Düsseldorfer Straße zwar neuerdings noch über die Abtrennung des Radwegs zur Fahrbahn, die dem ständigen Parken auf dem Radweg, das hier Praxis war, ein für allemal einen Riegel vorgeschoben hat. Kurz vor dem Bahnhofs-Vorplatz (der übrigens keinen Namen trägt, obwohl er in der Tat ein Platz ist) wird der Radweg indes von der Fahrbahn aufgesogen und erscheint auch auf dem Platz nicht mehr wieder, sodass man hier der Hölle des vorbeibrausenden Autoverkehrs ausgesetzt ist, und da dieser heutzutage vor allem aus SUVs und am Bahnhof auch noch vermehrt aus Bussen besteht, ist das bei den engen Fahrbahnen lebensgefährlich. Selbst an der Südseite des Bahnhofs kommt keine Entspannung auf, weil hier der Suchverkehr stört, die Autofahrer, die nach Lücken spähen, um illegal das Fahrzeug abstellen zu können. Die Entscheidung, die Rückfahrt vom Finanzamt dann doch lieber durch den Hafentunnel anzutreten (nein, ein Tunnel ist das natürlich nicht, sondern eine breite Durchfahrt unter der Brücke mit den Bahngleisen), kam deswegen ganz von selbst. Und siehe, ein Licht tat sich auf und der Radfahrer konnte auf einem neu und eigens für ihn auf der Fahrbahn (!) markierten Radweg dem Güterplatz entgegenradeln, und selbst darüber hinaus ging der Radweg als solcher noch weiter. Und das, obwohl dem Autoverkehr Platz weggenommen wurde! Es ist nicht überliefert, ob es einen Aufschrei der FDP-Stadtverordneten gab – aber das nenne ich tatsächlich mal Fortschritt. Dem Frankfurter Fahrradbüro sei Dank!

22.8.2019

22.8.2019

Ich erinnere mich noch, wie ich zu Beginn des Jahrtausends in der Mittagspause durch den „Labsaal“ schlenderte, die ehemalige Mensa, in der ich früher unzählige Fertigessen verspeiste, und mir die damals dort ausgestellten Ergebnisse des Architektenwettbewerbs zur Gestaltung der neuen Universität rund um den Poelzig-Bau im Westend ansah. Das waren tolle Ideen, die die Architekten da zu Papier und auf Folie gebracht hatten; doch ich befürchtete eingedenk der Erfahrungen, die ich zuvor in Frankfurt machen musste, es werde mir nicht vergönnt sein, die Realisierung dieser Ideen auch noch leibhaftig erleben zu können. Wie man heute weiß, eine übereilte Fehleinschätzung – in Rekordzeit stellte das Land (in planungs- und baurechtlicher Hinsicht gemeinsam mit der Stadt) die Gebäude fertig, Frankfurt hat tasächlich einen „Campus“, und was für einen, sodass ich zuweilen den Wunsch verspüre, noch einmal das Studentenleben in Frankfurt genießen zu können – wahrlich großzügiger und jedenfalls anders als ehedem auf dem Bockenheimer Campus!

Jener alte Campus soll ja ein „Kulturcampus“ werden, und da zeigt sich dann doch wieder das Frankfurter Elend. Der Abriss des Juridicums wurde ja schon vor Jahren angekündigt; allein, es folgen keinerlei Taten. Der Unterschied könnte nicht krasser sein: Im südlichen Teil des Geländes, wo der schreckliche Pädagogen-Turm weggesprengt wurde, ziehen die dortigen Bauherren in Windeseile ihr Hochhaus mit Büros, Hotel und megateurem Wohnraum hoch; weiter nördlich dauerten schon die nötigen Renovierungsarbeiten an den historischen Gebäuden Jahre, und sonst passiert gar nichts. Hochtrabenden Plänen und Worten folgt mal wieder – nichts. Da zeigt sie sich wieder, die Frankfurter Behäbigkeit, die die öffentliche Bautätigkeit auszeichnet. Nun, wenigstens insofern werde ich mit meiner Befürchtung also Recht behalten…

17.8.2019

17.8.2019

Ein verregneter Samstagmorgen bietet Anlass zur Stadterkundung. Zumindest so nebenbei, wenn man im Übrigen bestimmte Dinge in einer Gegend erledigen will, die man sonst selten aufsucht – oder eigentlich gar nicht. Die Hanauer Landstraße ist so eine Gegend – Verkehrsschneise, laut und ungemütlich; hier braust man nur durch, selbst wenn die Straße hie und da von Läden gesäumt wird, in die man mal reinschauen könnte.

Aber ein Spaziergang unter den Bahngleisen hindurch (ja, genau, die Brücke aus der Kaiserzeit, und anschließend kommt man zum grottenhässlichsten Platz, den die Stadt überhaupt zu bieten hat, und das quasi im Angesicht der EZB!) bringt die Erkenntnis, dass es im Osten der Stadt Neues gibt, wenn auch nichts Sensationelles. Doch anstelle der alten Feuerwache steht jetzt ein passabler Wohnkomplex. Vis-a-vis zwar immer noch die grausliche Stadtgestaltung der Nachkriegszeit, aber im Erdgeschoss dieses Komplexes kann man es sich gutgehen lassen. Ein formidabler orientalischer Brunch lässt die Scheußlichkeiten draußen gegenüber vergessen. Immerhin, ein richtig breiter Fahrradweg wurde – zumindest auf dieser Seite des Platzes – auch asphaltiert; eine Seltenheit erster Güte, die leider in der Hanauer Landstraße keine Fortsetzung findet, und zwar in beide Richtungen. Aber ein Anfang ist gemacht. Und bei der Erinnerung an den sogenannten „Polen-Strich“, den ich dortselbst vor noch nicht langer Zeit auch erleben konnte, muss ich sagen, Entwicklung, auch gentrifizierende, muss nicht das Schlechteste sein.

8.8.2019

8.8.2019

Das Wiedersehen im Brühmarkt bleibt freilich – abgesehen vom freundlich-zugewandten Personal hinter der Theke – eher die Ausnahme. Aber zu gucken gibt es immer was. Und heute fiel der Blick auf einen Herrn mittleren Alters, die kurzen Haare schon einheitlich hellgrau, der, in stramm sitzender Outdoor-Kleidung gewandet und beschuht, besser: bestiefelt, als wäre er ein Model von McTrek mit der aktuellen Trekking-Kollektion für Hard-Core-Wanderer, draußen gerade neben der Eingangstür saß und die Frankfurter Rundschau durchblätterte.

Das wäre jetzt noch nicht ein Grund, ihm Aufmerksamkeit zu widmen. Aber bei genauem Hinsehen konnte man entdecken, dass er gleichzeitig auch noch die Süddeutsche Zeitung neben sich liegen hatte. Und nicht nur das, er schmökerte auch darin. Dass andere Gäste, die das eine oder das andere Blatt auch lesen mochten, dann erst mal ohne Lektüre blieben, schien ihn nicht zu stören. Als dann der Service das bestellte Joghurt-Müsli mit frischen Früchten (Delikatesse, zumal da an besonders naturnahem Joghurt angemacht) bereitstellte, war ich allein davon gebannt, wie er es fertigbrachte, zwischen den aufgefalteten Zeitungspapieren, die natürlich auf den verschränkten Beinen lagen, die er aber auch noch in der Hand hielt, mit dem langen Löffel in seinem Joghurt herumzustochern und von der Schüssel ein paar Happen tatsächlich auch in seinen Mund zu befördern, natürlich ohne den Blick von den Zeitungen auf das zu wenden, was er gerade tat. Es war auch nicht zu erkennen, ob er tatsächlich schmeckte, was er da aß, oder ob es sich um eine rein mechanische Gewohnheits-Handlung handelte, das Ausführen bloßer Bewegungen bar jeder sinnlichen Perzeption. Wie dem auch sei – da hat auf jeden Fall der äußere Eindruck mal wieder gründlich getäuscht!

7.8.2019

7.8.2019

Déjà vu…déjà entendu… alles schon mal dagewesen… Der Quantenphysiker hätte wahrscheinlich seine (oder die Physikerin ihre; geschlechtsneutrale Sprache sollte auch im Kaleidoskop nicht ganz vernachlässigt werden) helle Freude: Nicht nur, dass ich heut früh, als ich am Brühmarkt vorbeiging (der Espresso musste warten; es gab Wichtigeres zu tun), den ehedem Meditierenden wiedersah (Kaleidoskop vom 2.8.), diesmal freilich mit einem großen I-Pad vor der Hüfte und fleißig schreibend – und nicht barfuß! -; nein, heute Abend empfahlen wieder bei radioX die gleichen Guys Veranstaltungen, die mich vor kurzem noch zum Abschalten brachten. Bemerkenswerterweise zogen sie mich heute in einen Bann, der dazu führte, dass ich der Sendung neugierig, interessiert und belebt (ja!) bis zum Schluss folgte.

Und es zeigte sich: Die Bandbreite der Ausgehtipps wie auch der dazwischen eingespielten Musik war so enorm und die Auswahl so vielfältig, ergänzt durch kluge, ironische, jedenfalls aber kundige Kommentare und Bemerkungen, dass ich staunend und achtungsvoll „dranblieb“, nur um der Authentizität dieser Selbstverwirklichung mir völlig unbekannter Jungs teilhaftig zu werden. So entdecke ich neben dem sinnentleerten Schauen nun auch noch das sinnfreie Zuhören, das Hören um des Hörens willen, als Selbstzweck, aber nicht nur – da kriege ich auch mit, wie andere ticken, und freue mich, dass Soul, Jazz, Punk und Rock gleichermaßen für die junge Generation nix Unbekanntes ist; und da macht es doch überhaupt nichts aus, wenn die das „Mal seh’n“ in die Eckenheimer Landstraße und dann auch noch nach Eckenheim (oh Graus) verlegen… cool, oder?

6.8.2019

6.8.2019

Die Vervollkommnung der Altstadt schreitet unaufhaltsam voran. Anderthalb Jahre nach der Eröffnung des Gevierts zwischen Dom und Römer beziehen doch tatsächlich schon die letzten Mieter ihre bislang noch nicht nutzbar gewesenen Gewerberäume. Ein Kiosk harrt noch der Fertigstellung, doch angesichts der vielen Rigips-Platten, die heute die Bauarbeiter traditionsbewusst – also manuell – von der Braubachstraße zum Hühnermarkt trugen, kann das nur noch eine Frage von Stunden sein.

Allerdings: Wer Hunger oder Durst hat, dem wird dort reichlich gegeben. Es geht schon los in der Goldenen Waage, in der nun endlich das schon lange angekündigte Café beheimatet ist. Dann, auf dem Weg zum Römer, kann man zwischen deftig-derb (gleich zwei Fleisch- und Wurststände reizen die Gaumen der Touristen) und elegant fein (rassige Weinauswahl) wählen, bevor man weiterschlendert oder doch zunächst noch eine Rast auf dem Hühnermarkt einlegt. Und der weite Weg kann dann mit einer Einkehr bei einer angeblich portugiesischen Konditorei beendet werden, damit man nicht vor lauter Erschöpfung doch noch zusammenbricht, bevor die alte Krönungsstätte in Sichtweite kommt. Immerhin, die Kuchenauswahl ist riesig; allerdings: in Lissabon sieht sowas anders aus. Mir ist das seit heute allerdings alles egal. Denn nun hat auf dem Hühnermarkt auch noch eine Filiale meines liebsten Frankfurter Kaffeerösters aufgemacht und bietet in kleinem, aber feinem Ambiente das an, wofür er berühmt geworden ist. Allerdings: Die Kaffeehausdichte zwischen Braubachstraße und Hühnermarkt ist mittlerweile beängstigend… da kommt ja selbst Wien nicht mehr mit!

5.8.2019

5.8.2019

Der Leser oder die Leserin des Kaleidoskops weiß, dass ich, wenn ich überhaupt mal Radio höre, das lokale Stadtradio radioX präferiere. Ein kunterbuntes Durcheinander mehr oder weniger schräger Sendungen mit weitgehend hörbarer Musik – ja, zugegeben; die alten Töne der Underground-Musik der alten Zeiten sind auch dabei, und ich liebe sie immer noch – , bei dem dann auch nicht stört, dass zuweilen Grausliches durch den Äther braust; und dann schalte ich einfach ab.

Weil es so kunterbunt ist, wechseln sich auch die Moderatoren ab, zumeist im Stundentakt, und da geht es ebenso durcheinander zu wie bei der Musik. Auf der Internetseite habe ich allerdings erfahren müssen, dass es sich dabei ganz überwiegend um Menschen ähnlichen Alters wie dem meinen handelt; ob das nur Zufall ist? Angesichts dessen ist der Kulturschock umso größer, wenn mal deutlich hörbar Jungvolk durch die Sendungen führt, wie an manchen Tagen bei „X wie raus“, den (fast) allabendlichen Ausgeh-Tipps um 18 Uhr. Da kriegt unsereins dann mit, dass zwischen ihm und mir gefühlt dreißig Generationen liegen. Nicht nur der Jargon, in dem die (modernerweise sind ja immer mindestens zwei Moderatoren im Studio; auch so eine Erfindung des Zeitgeists im Rundfunk) miteinander durch die Sendung führen (aber eigentlich tun sie das gar nicht – sie reden einfach nur miteinander, in der heute gebräuchlichen Newspeak), nein, auch der Inhalt, den dieser „rüberbringt“, um es salopp zu formulieren, verdeutlicht die Welten, die zwischen uns liegen. Es ist ja schon bemerkenswert, wenn man nicht weiß, ob die Konzertmuschel im Palmengarten, in der das gerade angekündigte Abendkonzert stattfinden wird, „open air“ liegt oder nicht (hätte ein Journalist ja recherchieren können…). Doch die Bedeutung des Wortes „Evergreen“ sollte ein Radiomensch schon kennen, oder? Nach dem dreiundzwanzigsten „Cool!“ im Zeitraum von zweieinhalb Minuten hab ich dann doch ausgeschaltet. Ich mag ja die Improvisation, die Selbstdarstellung des Unperfekten, den Mut, so eine Sendung überhaupt zu machen und dabei zu reden, wie es eben grad kommt – das hat durchaus etwas liebenswert Authentisches. Aber bitte, Tiefgang und Hintergrundwissen schaden auch nicht… Nun weiß ich aber definitiv: I am growing old. Oder sollte ich schon sagen: I am old????