Dein Hirn, das unbekannte Wesen
Fußballfans werfen Papierkugeln und eine Fahnenstange auf Spieler und Linienrichter; Fotografien der dem gerade gekürten, den Versammelten jedoch völlig unbekannten Papst zujubelnden Menschenmenge zeigen hemmungslos weinende Frauen, und im Bundestag ergötzen sich die Abgeordneten der AfD mit ihren sorgsam einstudierten permanenten Pöbeleien am Krawallmachen – in all diesen Szenen offenbart sich, dass es mit der Evolution des menschlichen Geistes nicht so weit her ist. Jahrmillionen nach dem Aussterben der Dinosaurier hat es das menschliche Hirn offenkundig nicht weit gebracht. Oder sollte man besser sagen: Immer noch haben die Menschheit und ihr Zentralorgan des Nervensystems nicht begriffen, dass wir nicht mehr hoffnungslos dem Mechanismus von Flucht oder Kampf folgen müssen, wenn wir überleben wollen, sondern dass wir mit einem Großhirn ausgestattet sind, dessen Potenzial unermesslich ist!
Die Menschheit nutzt es nur nicht. Das limbische System, in dem all die beispielhaft genannten Verhaltensweisen wurzeln, hat nach wie vor die Oberhand und bestimmt sowohl die individuellen wie auch die kollektiven psychischen Faktoren, die dann in unser Handeln münden. Krawallmachen kann nur dann als sinnvolles politisches Handeln angesehen werden, wenn es bei den Zuschauenden potenziell auf Sympathie stößt; wenn es solche gibt, die das gutheißen, und sei es nur deshalb, weil die Krawallmacher sich etwas trauen, was die Gutheißenden sich verkneifen, und es den „anderen“ mal so richtig zeigen. Genauso die Ultras im Stadion, die zur Selbstbestätigung die Sau rauslassen und dafür eben ein Stadion als Arena missbrauchen. Und sind die Tränen aus schmerzverzerrtem Gesicht vor dem Papst nicht doch eher Symbol für eine heftige Projektion denn Ausdruck des Glaubens? In all diesen Situationen steht das Großhirn, letztlich die Vernunft im Abseits. Wer Ausschau halten möchte nach den Gründen, aus denen so vieles in dieser Welt schief läuft, wird hier fündig. „Oh Herr, schick Hirn vom Himmel!“, hieß es früher. Anders wird ein Schuh draus: „Oh Mensch, du hast ein Großhirn – nutze es!“