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Monat: März 2025

Am besten abmelden…

Am besten abmelden…

Ohne soziale Medien scheint nichts mehr zu gehen – nachdem selbst die politische Öffentlichkeitsarbeit ins Reich der digitalen, schnellebigen Welt verlagert und Facebook, Instagram oder X (Twitter hieß das mal) genutzt werden, um umgehend aktuelle politische Erklärungen unters Volk zu bringen, scheint eine Nutzung dieser Medien – sprich: eine Mitgliedschaft durch Eröffnung eines Nutzer-Kontos – zwingend, will man nicht als hoffnungslos altbacken gelten.

Und doch: Es gibt gute Gründe, sich von dieser Digitalwelt gründlich zu verabschieden, selbst wenn man sich – wie ich – nur bei Facebook bewegt hat. Nicht nur, dass Mark Zuckerberg dem vor kurzem gewählten US-Präsidenten seinen Liebesdienst erwiesen und das Faktenchecken eingestellt hat. Kein Wunder, dass dort etwa nun Fotos gepostet werden, die angeblich Frankfurt, erkennbar jedoch eine ganz andere Stadt zeigen, von der man nicht weiß, ob es sie überhaupt gibt; oder Texte, über deren Wahrheitsgehalt nur spekuliert werden kann. Definitiv geringer geworden ist die Zahl persönlicher Botschaften oder „Posts“ von „Freunden“. Zugenommen hat hingegen seit der Bundestagswahl die Zahl von Bildveröffentlichungen, die die Größe der neuen Fraktion der AFD dokumentieren und verbal nur schwer verhüllen können, dass es bei dem – in der Regel männlichen – Verfasser beim Betrachten derselben gerade zu einer ejaculatio praecox gekommen sein muss. Aber wer zum Teufel ist dafür verantwortlich, dass mir inzwischen in ungefähr jedem zehnten „Post“ mit nachkolorierten Fotografien das beschauliche Geschehen im zweiten Weltkrieg veranschaulicht wird, das deutsche Soldaten natürlich nur beim Rauchen an der Gulaschkanone oder in der „Pause“ kennt, nicht aber beim sonstigen Tagesablauf, der ja womöglich noch die Auslöschung einer kompletten Dorfbevölkerung vorgesehen haben mag… Da wird Landserleben so verharmlost, ja subcutan verherrlicht (ja ja, das waren noch Zeiten und Männer!), dass einem übel wird. Und keiner kontrolliert, wer da was publiziert; und wozu das Ganze gut sein soll, kann man sich denken: Rechtsradikale Propaganda, unterschwellig und indirekt, ganz nach dem Motto: Irgendwie kommt das schon ins Bewusstsein… Für mich kann die Konsequenz nur sein: Diesem rechtsfreien Raum entziehe ich mich. Ich melde mich ab. Finito.

Mit Sicherheit!

Mit Sicherheit!

Dass wir in Deutschland Sicherheitsfanatiker sind, kann nicht nur nicht ernsthaft bezweifelt, sondern auch wie vieles andere mit dem Prädikat „Made in Germany“ versehen werden. Nicht erst seit dem Fastnachstdienstag mit dem umfassenden Sicherheitskonzept für Klaa Paris (siehe Kaleidoskop vom 4. März), mit dem potenzielle Anschlag-Verübende präventiv in die Schranken gewiesen werden sollten, können wir mit Fug und Recht sagen: Sicherheit wird in Deutschland groß geschrieben! Weitere Beispiele lassen sich unschwer finden: Ob es nun bei einer (erst vor kurzem sanierten) Straßenbrücke möglicherweise dazu kommen könnte, dass die tragende Stahlkonstruktion womöglich korrosionsbedingt rissig werden könnte (man sieht es schon an der Formulierung: eine akute Gefährdung konnte nicht festgestellt werden, wie auch das zuständige öffentliche Amt ausdrücklich versichert) – die Brücke ist gleichwohl bis auf Weiteres gesperrt worden – oder ob etwa in einem Fußballstadion in Bochum eine Rettungstür im Spielfeldzaun im Ernstfall möglicherweise nicht schnell genug geöffnet werden könnte, weil Fans dort ein Banner hingehängt haben – immer geht es um unser aller Leben und, wenn man es tiefer hängt, um eine Abwägung, bei der zuweilen das Maß aus den Augen verloren und eine Gefahrensituation unterstellt wird, die zwar Brachialmaßnahmen rechtfertigt, deren Realisierungschance jedoch nicht ganz zweifelsfrei erscheint.

Und nun vernimmt der interessierte Zeitgenosse, dass in der heutigen Debatte im Deutschen Bundestag einer Erweiterung des Sicherheitsbegriffs das Wort geredet wird. Zeitenwende auch in Bezug auf diesen Begriff, das ist mal was! Zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland soll jetzt auch die Infrastruktur in einem ganz umfassenden Sinn gehören, und das nicht nur, weil gegebenenfalls über die maroden Brücken auch Panzer rollen können müssen, ohne Gefahr zu laufen, abzustürzen… Wer weiß, vielleicht fallen dann bei der Inanspruchnahme des Sondervermögens auch ein paar Groschen für die offenkundig nötige Sanierung eines Fußballstadions ab?

Warum nicht ganz anders?

Warum nicht ganz anders?

Dass im Hinblick auf den Vorfall in Mannheim am Rosenmontag Schweigen im Blätterwald eingekehrt ist, muss freilich nicht zwangsläufig bedeuten, dass hier etwas verharmlost oder verschleiert werden soll (anders als bei der hysterischen Berichterstattung über Vorfälle mit Migrantenbeteiligung ; da soll zweifelsohne etwas aufgebauscht werden). Es gäbe ja noch eine dritte Möglichkeit, dieses Phänomen zu verstehen: Da man derartige Geschehnisse ohnehin nicht mit Sicherheit verhindern kann, da allerorten und zu allen Zeiten immer wieder schreckliche Dinge geschehen, könnte man sie gleichsam als alltägliche Vorgänge zur Kenntnis nehmen, darüber normal berichten – und Schluss.

Das hätte den Vorteil, die Dinge so zu nehmen, wie sie eben sind, ohne sie künstlich aufzuwerten oder hysterisch auszuschlachten. Und uns allen fehlt es heutzutage an Achtsamkeit; wir regen uns zu sehr und sehr gern auf – etwas mehr Ruhe wäre sicher Balsam für unsere Gesundheit. Allein: Die Medien scheinen zu glauben, den Anschluss zu verlieren, wenn sie sich nicht an die Digitalwelt anpassen und – wie eine Freundin formulierte – mit ihrem Erregungsjournalismus um Quoten und Zustimmung ringen. Als wenn journalistische Qualität von der Anzahl der „Likes“ im elektronischen Medium abhinge…

Mal so, mal anders

Mal so, mal anders

Es ist gerade ein paar Tage her, doch man liest und hört nichts mehr von dem Vorfall, der am Rosenmontag in Mannheim zwei Menschenleben kostete und immerhin kurzfristig einigen Wirbel verursachte. Ob es damit zusammenhängt, dass der Täter ein Deutscher mit vermutlich stramm rechter Gesinnung ist und außerdem „psychisch auffällig“ war? So was kann man dann als politische Partei ja nicht so schön publizistisch ausschlachten wie die vergleichbaren Vorfälle zuvor, ebenfalls in Mannheim oder Magdeburg oder… da waren wenigstens Ausländer schuld, und teilweise sogar ausreisepflichtige…

Kein Wunder, dass die AFD schweigt; doch die journalistischen Medien könnten die Hintergründe der Tat oder zumindest des Täters etwas genauer beleuchten, so wie sie das ja auch in den anderen Fällen taten. Oder soll hier was verschleiert werden?

Ja, was denn nun?

Ja, was denn nun?

Die Ereignisse überschlagen sich, und man reibt sich verwundert die Augen. Weltpolitische Entwicklungen haben dazu geführt, dass neuerdings auch führende Politiker (und natürlich auch die Politikerinnen) in Deutschland eine Flexibilität und einen Pragmatismus zeigen, der schon vor der Wahl zu wünschen gewesen wäre. Jedenfalls bei CDU, CSU und SPD hört man plötzlich überwiegend Sachtöne – die wahltaktischen Scharmützel, die die politische Bühne vor der Wahl prägten und nicht zuletzt die Wähler in Scharen zur AFD getrieben haben, die aber in jedem Fall den überfällig gewesenen grundlegenden politischen Entscheidungen im Weg standen, sind hoffentlich Vergangenheit.

Man weiß freilich noch nicht, ob die bisher erzielten Ergebnisse der „Sondierungen“ auch im (noch amtierenden alten) Bundestag die erforderliche Mehrheit finden werden. Der FDP kann es nicht übelgenommen werden, wenn sie – gleichsam die Erfinderin des Verfassungsmonsters Schuldenbremse – die Vorschläge zu deren Reform rundweg ablehnt. Schwieriger erscheint es hingegen, der Argumentation der Grünen auch nur einen Ansatz von Plausibilität entnehmen zu wollen. Natürlich hat Merz schlicht die Seite gewechselt und befürwortet nun etwas, was seinen früheren Verlautbarungen nach des Teufels war. Aber muss man sich jetzt in den Schmollwinkel zurückziehen und Fundamentalopposition betreiben, nur weil die vorgeschlagenen Maßnahmen (die vielem von dem entsprechen, was die alte Regierungskoalition noch auf den Weg bringen wollte) nicht auch noch ausdrücklich dem Klimaschutz dienen sollen (wobei selbstverständlich davon auszugehen sein wird, dass Maßnahmen für die Infrastruktur auch einem verbesserten Klimaschutz werden dienen können)?! Das erscheint doch arg vorgeschoben und soll verdecken, dass es hier nur um ein „Ätsch!“ wegen der vorangegangenen Scharmützel und eine politische Kehrtwende in die neue Oppositionsrolle nach der Wahl geht. Dabei werden die besonderen politischen Gegebenheiten nach dem Zusammentritt des neuen Bundestages, insbesondere die Sperrminorität gegen Verfassungsänderungen, schlicht ausgeblendet. Stattdessen müsste es vorrangiges Ziel aller Parteien links von der AFD sein, so schnell wie möglich einen gemeinsamen Nenner zu finden und sich um die drängendsten Probleme der Gegenwart wirksam zu kümmern, solange dies noch möglich ist. Geplänkel im Nachgang zu Kränkungen sind da ebenso fehl am Platz wie fundamentales Mauern.

Wer bestellt, zahlt?

Wer bestellt, zahlt?

Die Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen in Klaa Paris, um die es hier gestern ging, haben selbstverständlich ihren Preis. Auf ungefähr das Doppelte der bisher üblichen Kosten beläuft sich nach Presseberichten der Betrag, den die Zuggemeinschaft Klaa Paris an die Stadt überweisen muss; eine deutlich sechsstellige Summe. Aber die Zuggemeinschaft kann sich trösten – der Betrag soll angeblich in voller Höhe von der Stadt zurücküberwiesen werden, noch in diesem Jahr (wobei sich der zuständige Ortsbeirat sogar noch zu einem Beschluss hinreißen ließ, die Vorauszahlung möge grundsätzlich erlassen werden). Der Ökonom nennt das Subvention. Und die Stadt lässt sich die „Brauchtumspflege“ augenscheinlich gern etwas kosten.

Das muss man – und insofern liegt der Ortsbeirat eben falsch – auseinanderhalten: Kosten für Sicherheitsvorkehrungen einerseits, finanzielle Förderung auf der Grundlage von Entscheidungen der politisch Verantwortlichen andererseits. Wer so eine Veranstaltung wie den Fastnachtszug durchführt, ist in der Rechtsterminologie „Zweckveranlasser“, und ein solcher hat nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Polizei- und Ordnungsrechts grundsätzlich die Kosten für die Gewährleistung der Sicherheit durch die Ordnungskräfte zu tragen. Ein Grundsatz, der allerdings in Teilbereichen des gesellschaftlichen Lebens seit langem ignoriert wurde und wird; zum Beispiel jeden Samstag in unseren Fußballstadien, in denen zwar massenhaft Polizei aufgeboten werden muss, damit die Fanszene halbwegs gesittet bleibt, ohne dass indes die Vereine, die die Zirkusspiele dort veranstalten, eben als „Zweckveranlasser“ dafür zur Kasse gebeten werden. Das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich entschieden, dass das – konkret in Bremen – auch anders gehandhabt werden darf, was aber augenblicklich bei den betroffenen Vereinen einen Sturm der Entrüstung entfachte. Auch Herr Hellmann von der Frankfurter Eintracht richtete fordernde Botschaften an die Politik, alles so zu belassen, wie es ist; alles andere sei unverhältnismäßig. Und selbst sonst honorige Politiker wie der hessische Innenminister wollen nun um Himmels Willen nicht vorpreschen, um endlich bundesweit das Selbstverständliche zu veranlassen: Dass derjenige zahlt, der bestellt. Auch die Nichterhebung der Polizeikosten stellt unbestreitbar eine Subvention dar, nur dass sie durch die bisherige Praxis schlicht stillschweigend im Verborgenen gehalten wurde. – Was lernen wir unter dem Aspekt der Zeitenwende und angesichts horrend defizitärer öffentlicher Haushalte daraus? Es wird Zeit, selbstverständliche Grundsätze wieder zum Maßstab in der Praxis zu nehmen! Kosten müssen in jedem Fall bezahlt werden; und die Frage, ob es politisch verantwortet werden kann, sie im Wege einer Subventionsgewährung – auf welche Weise auch immer – dem Betroffenen im Nachhinein wieder zugute kommen zu lassen, muss in aller Öffentlichkeit und unter Abwägung der dafür maßgeblichen Gesichtspunkte von den zuständigen und dafür demokratisch legitimierten Organen politisch beantwortet werden. Millionenschwere Klubs der Fußballligen werden dabei jedenfalls nicht die gleiche Behandlung für sich reklamieren können, wie sie etwa der Zuggemeinschaft Klaa Paris zuteil wird.

O tempora…

O tempora…

…o mores, das war schon den alten Lateinern klar. Wohin sind wir nur gekommen? Oder, feiner formuliert, nicht nur die Zeiten ändern sich… Wenn auch die Zeitenwende noch nicht überall und auf allen Ebenen der Gesellschaft angekommen sein mag – in Heddernheim, dem fastnachtlichsten Stadtteil Frankfurts, findet sie jedenfalls am Fastnachtsdienstag aus Anlass des alljährlichen Festzugs von Klaa Paris statt.

Erstmals in der langjährigen Geschichte der Heddemer Fassenacht wird nicht nur, wie schon immer und ohne jeden Aufschrei der FDP, der freiheitliche Individualverkehr für einige Stunden aus dem Zug-Viertel ausgesperrt. Nein, in diesem Jahr wird nahezu der gesamte Stadtteil zur „Sicherheitszone“ erklärt und in diesem Bereich flächendeckend eine absolute Halteverbotszone eingerichtet. In Teilen schon ab dem Montag, insgesamt aber ab Dienstag, 4 Uhr morgens, und das ganztägig, werden die Autos verbannt, wobei die Stadt nicht kümmert, wo die beflissenen Halter der Fahrzeuge selbige denn unterbringen sollen, wenn sie nicht zufällig für diesen Tag einen Werkstatttermin vereinbart haben. Klar, in den letzten Monaten ist einiges pasiert, was möglicherweise bei konsequenter Beachtung von Sicherheitsvorkehrungen nicht unbedingt hätte passieren müssen. Aber glaubt man wirklich, mit Maßnahmen wie dieser etwaige Attentate wirksam zu verhindern? Absolute Sicherheit ist eine Wunschvorstellung, und Anschläge werden nicht nur mit Autos verübt. Verhältnismäßigkeitserwägungen sollten sich nicht primär von Eventualitäten oder gar Angst leiten lassen, sondern von einer prognostischen Einschätzung, ob sich aus bestimmten tatsächlichen Anhaltspunkten Gründe für die Annahme einer konkreten Gefahr ergeben.

551

551

Nicht nur ein Rauschen, sondern gleich einen Sturm im Blätterwald – und in den Aktentaschen derjenigen Mitglieder des amtierenden Deutschen Bundestags, die noch auf gedrucktes Papier Wert legen – verursachte der Umstand, dass die Unionsfraktionen, ebenfalls direkt am Tag 1 nach der Wahl, nicht etwa dem alten Parlament neues politisches Leben einhauchen wollten, sondern umstandslos die parteitaktischen Scharmützel der Wahlkampfzeit fortsetzten, als hätte es weder den Wahltag noch das erschreckende Wahlergebnis gegeben. Die „Kleine Anfrage“ zur Finanzierung von allen möglichen Organisationen der sogenannten Zivilgesellschaft im Umfang von gerade mal 551 Fragen an die nur noch wenige Wochen im Amt sich befindende Bundesregierung soll angeblich die Herstellung von Transparenz über die Verwendung von Steuergeldern zum Ziel haben. Wer’s glaubt.

Transparenz ist ja immer gut. In der Sache ist es gewiss niemandem übel zu nehmen, sich darum zu sorgen, wie der Staat mit unserem Geld umgeht. Aber 551 Fragen, unmittelbar im Anschluss an die Wahl, die vor allem das Ergebnis brachte, dass eine Regierungsbildung nicht so ohne weiteres wird gelingen können? Und wenn gleichzeitig alle bislang als bruchfest angesehenen sicherheitspolitischen Dämme wegbrechen und zur Notwendigkeit führen, so schnell wie möglich mit stabilem Regieren zu beginnen? Müssen der amtierende Bundestag und die noch amtierende Bundesregierung Knall auf Fall noch mit – vor diesem Hintergrund – nachrangigen Sandkastenspielen beschäftigt werden? Mit Verlaub: Hier ging es zuallererst darum, eine Stinkbombe zu schmeißen und Rache für Vorkommnisse im Wahlkampf zu üben, vergleichbar übrigens dem Stil desjenigen, der gerade jenseits des Atlantiks die Strippen zieht. Wie aber verträgt sich das mit der von Friedrich Merz in einem Interview mit der FAZ geäußerten Mahnung, in Deutschland müsse man „zu mehr politischer Geschlossenheit“ zurückfinden? Fazit: Die auch auf dieser Ebene nötige Zeitenwende ist bei den Parlamentariern der Union noch nicht angekommen.