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Monat: April 2022

30.4.2022

30.4.2022

In aller Ruhe und Beschaulichkeit unter freiem Himmel auf Gartenstühlen in der Geborgenheit einer Hecke Kaffee zu trinken, ein Croissant zu genießen und dabei dem Konzert der Vögel zu lauschen, ohne von Verkehrslärm aufgeschreckt zu werden – man kann sich kaum vorstellen, dass so etwas in der Stadt möglich ist. So traute ich kaum meiner Wahrnehmung, aber am nördlichen Rand von Bornheim, kurz hinter dem Verkehrsgebraus um die Seckbacher Landstraße – und, von der anderen Seite betrachtet, östlich des Lärms der Friedberger Landstraße, schon außerhalb des Alleenrings – ist dieses Idyll zu finden. Nahe dem sogenannten Wasserpark liegen sie, die Gartenanlagen, die seit einigen Jahren Gegenstand heftigen Streits der Kommunalpolitiker sind, die dort Wohnungen bauen wollen, während andere die Natur nicht zerstören möchten, und daneben eben eine Gärtnerei, in deren Räumlichkeiten sich das Café befindet, das mir den erwähnten Genuss bietet.

Zielkonflikte sind auch in der Kommunalpolitik unvermeidlich. In der Regel werden sie durch demokratisch legitimierte Entscheidungen gelöst. Auch eine demokratische Legitimation reicht aber nicht, wenn das seelische Wohlbefinden betroffen ist. Am eigenen Leib habe ich hier spüren können, worum es denjenigen geht, die sich gegen die Verwirklichung der Baupläne mit aller Entschiedenheit wehren. Bei einem Gang durch diese wilde, urige, wunderschöne Gartenlandschaft blüht die Seele auf, und da stört es nicht im geringsten, dass die kleinen Paradiese durch Zäune abgeschirmt sind und man als Passant nur auf einem schmalen Weg gehen und sich all das nur von außen anschauen kann. Gärten, wie sie früher waren; Raum für Lebendigkeit und Natur, ohne die Akkuratesse und weitgehende Langweiligkeit der üblich gewordenen Schrebergärten, in denen mehr Trampoline stehen als Kirschen oder Gurken wachsen. Unweigerlich beschwören diese grünen Oasen die Erinnerung an meine ersten Erlebnisse in „unserem“ Garten herauf, der seit langem in die Piste einer vierspurigen Bundesstraße umgewandelt worden ist. Demokratisch legitimiert, versteht sich. Natürlich müssen Wohnungen gebaut werden. Aber müssen dafür immer wieder Refugien geopfert werden, die für das menschliche Seelenleben wichtiger sind als ein Haufen von Wohnanlagen, mögen sie noch so modern und großzügig angelegt werden? Beim politischen Abwägen fällt diese Dimension bislang regelmäßig aus dem Raster. Es wird Zeit, dass alle für das menschliche Leben wichtigen Faktoren in den Abwägungsprozess einbezogen werden – die Beschränkung auf Rationalität wird der Vielfalt der menschlichen Existenz nicht gerecht.