26.6.2022
Den Weg vom Main in Richtung Kleinmarkthalle sollten hochsensible Zeitgenossen wie ich besser mit Augenbinde zurücklegen, und zwar so lange, bis der Eingang in das Marktgeschehen durchschritten ist. Von der Untermainbrücke geht es zunächst einmal in den von Christoph Mäckler mit hohem theoretischen Anspruch und viel Blabla errichteten neuen Stadtraum auf dem ehemaligen Degussa-Gelände, in dem man angesichts der baulichen Verdichtung den Raum vermisst und eher klaustrophobische Zustände erleiden kann, wenn man nicht schleunigst das Weite sucht. Das ist zwar Richtung Berliner Straße zu finden; dort warten indes die Scheußlichkeiten der Nachkriegszeit. Es muss erstaunen, dass ausgerechnet dieser Teil der City einfach bleibt, während anderenorts viel später errichtete Gebäudemonstren inzwischen schon wieder abgerissen und durch neuere Gebäudemonstren ersetzt worden sind. Wenigstens hat man den alten Rechnungshof stehen lassen und aufgehübscht, ohne dass dadurch freilich eine ästhetische Befriedigung eingetreten wäre. Doch das wirkliche Grauen kommt erst kurz vor dem Ziel des Wegs: Biegt man von der Berliner Straße Richtung Kleinmarkthalle ab, möchte man schnellstmöglich nur die Flucht ergreifen. Es ist unverständlich, aus welchen Gründen vor etwa zwanzig Jahren ein Versuch der damaligen Stadtregierung scheiterte, hier mal Baufakten zu schaffen, die dem Herz der Stadt angemessen gewesen wären. Angeblich stemmte sich der Bürgerwille dagegen. Nun, wenn das, was da jetzt immer noch steht, auch nur im Ansatz schützenswert sein soll, dann muss es als Wunder erscheinen, dass nicht zuletzt wegen desselben Bürgerwillens knapp gegenüber die neue Altstadt entstehen konnte!
Um so erstaunlicher ist freilich der Wandel im Innern. Kaum hat der Marktbesucher die Türen passiert, umschwebt ihn fast südländisches Flair. Es gibt zwar weniger Obst- und Gemüsestände als früher, während dem ersten Anschein nach die Zahl der Fleisch- und Wurstbuden doch eher gleichgeblieben ist. Aber dafür bieten Stände ein reichhaltiges, internationales Angebot, die es vorher in dieser Zahl und Vielfalt nicht gab. Und an den Seiten darf man nun sogar verweilen, an der zur Zeil hin gelegenen sogar im Sitzen, und nicht nur seine „haaß Worscht“, sondern eben auch Espresso, Croissant oder Panini genießen oder andere Köstlichkeiten, wie sie die Welt in fernen Ländern zu bieten hat, und mit dem Tischnachbarn oder der -nachbarin plauschen. Auf der Galerie schlürft man sogar noch Austern. Wow, man muss also wirklich nicht zwingend das südliche und westliche Ausland aufsuchen – ein bisschen Valencia oder Milano haben wir sogar hier!