15.6.2022

15.6.2022

Das Leben findet nicht nur bei sich statt. Es gibt auch noch eine Nachbarschaft. Das kann gut, neutral oder schlecht sein. Auf jeden Fall: Es gibt keine Isolation. Man ist den Wechselwirkungen ausgesetzt, die von außen kommen. Die Frage ist: Sende ich auch solche nach außen? Schwerlich vorzustellen. Solange ich nicht Klavier spiele, Gesangsübungen mache (lange her…) oder den Rasen mähe, bleibt meinen Nachbarn mein Tun verborgen.

Anders herum empfinde ich es eindeutig stärker. Seit etwa die Tankstelle um die Ecke geschlossen ist, ohne dass – wie erst befürchtet – sofort Abriss- und Bauarbeiten auf dem Grundstück begonnen hätten, wird so richtig deutlich, welcher Lärm zuvor von ihr und der auf ihrem Gelände betriebenen Auto-Waschanlage ausging. Ruhe ist eingekehrt, und diese Ruhe ist einfach himmlisch. Besonders morgens ist es so still, das man meinen möchte, auf einem Dorf zu leben, hört man doch wirklich nur das leichte Rauschen der Blätter im Wind und die Morgengesänge der Vögel. Das ändert sich freilich schlagartig, wenn die benachbarte – ja, auch eine Entfernung von 200 m Luftlinie ohne Blockade durch Gebäude schließt die Qualifikation als „Nachbarschaft“ keineswegs aus! – Kindertagesstätte eines sozialpädagogischen Vereins ihre Türen, vor allem aber diejenigen zu ihrem Garten öffnet, und der Gartenbereich wird auf ihrer Website als ein Qualitätsmerkmal angepriesen mit der Folge, dass die Kinder den Tag tatsächlich weitgehend draußen verbringen. Der Wegfall des Tankstellenlärms wird dadurch aufgezehrt, dass nun das Gequieke und Geschrei der Kinder den ganzen Tag über – ausgenommen die Mittagspause – alle diejenigen erfreut, die sich in ihrem nahegelegenen Garten dem Sonnenbad hingeben. Es ist klar, dass es in Kinderbetreuungseinrichtungen etwas lauter zugeht und Kinder auch mal toben dürfen. „Betreuung“ bedeutet aber auch, dass Grenzen gesetzt und soziale Rücksichtnahme gelehrt werden, weil auch Kinder nicht einfach nur (und vor allem permanent) ihren Impulsen überlassen werden dürfen. Wenn in meiner Kindheit das tatsächliche Maß der „Betreuung“ über das Ziel hinausschoss, hier – und noch vielerorts – wird es leider definitiv unterschritten.


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