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Schlagwort: Altstadt

31.10.2020

31.10.2020

Einen Tag vor dem angekündigten „Lockdown Light“ – dem sprachlichen Erfindungsreichtum sind offenkundig keine Grenzen gesetzt – mutet die Innenstadt an wie eine Kurstadt. Jedenfalls am Vormittag. Schon die U-Bahn füllte sich auf dem Weg zur Hauptwache wie sonst nur an hohen Feiertagen – sehr ungewöhnlich für einen Samstag, der ja sonst zum Familien-Einkaufstag mutiert ist. An der Hauptwache, erst recht aber in den Nebenstraßen wähnt man sich in der Haupt-Urlaubszeit; fast könnte man die Passanten zählen. Und welche Ruhe über der Stadt liegt…

Der so ermöglichte Bummel (im wahrsten Wortsinn) ließ Raum für Verweilen und Entdecken, ja Genießen. In der Altstadt keine Touristen, dafür Muße zum Kaffeegenuss. Selbst im Cafe Karin noch freie Plätze, wann gab’s das denn zuletzt? Am deutlichsten aber wurde die veränderte Stimmung in den Fachgeschäften, die es ja neben den Kaufhausgiganten auch noch gibt – was der Vowinckel für die Bastler, ist der Wächtershäuser für die Zunft der Strickenden und Nähenden. Wenig Betrieb ermöglicht freundliche Beratung und Dienst am Kunden, wie man ihn jedenfalls bei Kaufhof oder Karstadt schon lange vermisst. Und das dann auch noch im Gruselkostüm, aus gegebenem Anlass. Halloween hat auch nette Seiten!

3.11.2019

3.11.2019

Auch Frankfurt hat eine Szene. Ob das nun Hipster sind oder wie man sie sonst nennen soll, sei dahingestellt. Jedenfalls trifft sich die Szene, wie auch immer sie heißen mag, unter anderem an mehreren Wochenenden im Jahr in der Frankfurter Universität. Nicht zum Studieren oder zum Flanieren, obwohl der herrliche Campus dazu durchaus einlädt. Sie besuchen eine Verkaufsmesse. So hieß das früher. Heute heißt es Stijl_Markt. Man ist ja nicht in Hintertupfingen.

In deutscher Übersetzung: Stil-Markt, und so stellen – laut Plakat – junge Designer junge Design-Waren aus und bieten sie zum Verkauf an. Das ist es eben – es geht ums Verkaufen. Schon beim Hinaufsteigen aus dem U-Bahnhof begegnen dem neugierigen Besucher zahlreiche mittelalte Menschen beiderlei Geschlechts, fast durchweg mit kleinen Kindern und zuweilen einem Hund im Schlepptau, und immer bepackt mit Papiertüten, in denen offenkundig Designware von besagtem Markt drin ist. Eben, Verkaufsschau. Das ehemalige Offizierskasino, welches den Raum für diese Schau bietet, ist proppevoll, davor auch noch eine mittlere Schlange von Menschen, die noch Einlass begehren. Ja, wer kaufen will, muss erst mal zahlen – es werden 7,50 Euro Eintrittsgeld erhoben, damit man das junge Design besichtigen und womöglich bei Gefallen erwerben darf. Angesichts der Fülle in den Räumen verkneifen wir uns den Eintritt und das Besichtigen – ein flüchtiger Blick nach drinnen offenbart, dass das Gedränge ein richtiges Bestaunen gar nicht zulassen wird. Und kaufen wollen wir ohnehin nichts. Aber die Uni bietet ja noch mehr – statt Design anzugucken erholen wir uns lieber bei einem Espresso in der Cafeteria der beiden kirchlichen Studierenden(! – ja, politisch korrekt)wohnheime, früher ein Geheimtipp – doch Hoppenworth und Ploch servieren jetzt ja auch in der neuen Altstadt… Aber das zeigt: Junge Kaffeeröster können mindestens ebenso Erfolg haben wie junge Designer!

6.8.2019

6.8.2019

Die Vervollkommnung der Altstadt schreitet unaufhaltsam voran. Anderthalb Jahre nach der Eröffnung des Gevierts zwischen Dom und Römer beziehen doch tatsächlich schon die letzten Mieter ihre bislang noch nicht nutzbar gewesenen Gewerberäume. Ein Kiosk harrt noch der Fertigstellung, doch angesichts der vielen Rigips-Platten, die heute die Bauarbeiter traditionsbewusst – also manuell – von der Braubachstraße zum Hühnermarkt trugen, kann das nur noch eine Frage von Stunden sein.

Allerdings: Wer Hunger oder Durst hat, dem wird dort reichlich gegeben. Es geht schon los in der Goldenen Waage, in der nun endlich das schon lange angekündigte Café beheimatet ist. Dann, auf dem Weg zum Römer, kann man zwischen deftig-derb (gleich zwei Fleisch- und Wurststände reizen die Gaumen der Touristen) und elegant fein (rassige Weinauswahl) wählen, bevor man weiterschlendert oder doch zunächst noch eine Rast auf dem Hühnermarkt einlegt. Und der weite Weg kann dann mit einer Einkehr bei einer angeblich portugiesischen Konditorei beendet werden, damit man nicht vor lauter Erschöpfung doch noch zusammenbricht, bevor die alte Krönungsstätte in Sichtweite kommt. Immerhin, die Kuchenauswahl ist riesig; allerdings: in Lissabon sieht sowas anders aus. Mir ist das seit heute allerdings alles egal. Denn nun hat auf dem Hühnermarkt auch noch eine Filiale meines liebsten Frankfurter Kaffeerösters aufgemacht und bietet in kleinem, aber feinem Ambiente das an, wofür er berühmt geworden ist. Allerdings: Die Kaffeehausdichte zwischen Braubachstraße und Hühnermarkt ist mittlerweile beängstigend… da kommt ja selbst Wien nicht mehr mit!

14.2.2019

14.2.2019

Die Fülle des Daseins erleben wir am besten in den Extremen. Ein Termin führte mich heute nach Freiburg, in diese wunderschöne Stadt am Fuß des südlichen Schwarzwalds, die mit einer – freilich (jedenfalls in Teilen) nach dem Krieg wieder aufgebauten – Altstadt aufwarten kann, von der ein Frankfurter nur träumt. Und trotz aller Ruhe und Verträumtheit weist diese Stadt modernes städtisches Flair und Leben auf, natürlich nicht zuletzt wegen der Universität und der dadurch bedingten, aber auf wesentlich kleinere Fläche als in Frankfurt begrenzten Infrastruktur. Den Weg von jener Altstadt zum Bahnhof gestaltete ich bewusst langsam, um die herrliche Stimmung, die sich auch angesichts des Kaiserwetters eingestellt hatte, möglichst lange und in vollen Zügen zu inhalieren.

,In Frankfurt angekommen, folgte ich einem spontanen Impuls und schlenderte durch die Kaiserstraße Richtung Willy-Brandt-Platz. Und hier geschah das Wunder: Ich war mit einem Mal beeindruckt, wie die Architektur der die Straße säumenden Gebäude derjenigen in der Stadt glich, die ich zwei Stunden zuvor verlassen hatte; doch ungleich markanter, wuchtiger, eben großstädtischer mutete sie an. Und nachdem ich den schrecklichen Bahnhofsvorplatz und den Kaisersack hinter mir gelassen hatte, flanierte ich mitten auf der Straße; es war Markttag und ich gönnte mir einen Espresso (was sonst), nicht ohne dem Barista vorher zu lauschen, welche Qualitäten seine beiden Sorten im Angebot entfalteten, der dunkle Robusta-Kaffee und der reinrassige Arabica. Selbstverständlich begehrte er mein Urteil zu wissen, als ich die geleerte Tasse zurückbrachte. Ich schlenderte weiter und kam zu den Anlagen – und mein Herz bebte ob des schier überwältigenden Eindrucks, den die Hochhaus-Silhouette an gerade dieser Stelle bei diesem Wetter vermittelte. Wenn ich die Neue Mainzer Straße, diesen Inbegriff von Hochhaus-Schlucht mit Dauer-Baustellen, einmal außer Acht lasse – ich verspürte keinerlei Wehmut darüber, statt in Freiburg nun wieder in Frankfurt zu sein. Obwohl zu Hundert Prozent im Gegensatz – an beiden Orten ist die Möglichkeit gegeben, sich wohlzufühlen, auf jeweils ganz eigene Art.

30.12.2018

30.12.2018

Kultureller Nachmittag in der Stadt – zwei Ausstellungen im Architekturmuseum, eine in der Schirn; auch das gehört für mich nicht zuletzt zur Alzheimer-Prävention, wenn auch derzeit insoweit noch mehr der intellektuelle Nutzen und die seelische Erbauung im Vordergrund stehen. Die Ausstellung im Architekturmuseum zur Geschichte der Altstadt-Bebauung brachte eine nicht erwartete Erkenntnis: Angesichts der übrigen brutal-brachialen Architektenentwürfe für die Dom-Römerberg-Bebauung erscheint die Errichtung des früheren Technischen Rathauses noch als verzeihlicher Irrtum. Architekten ohne Gefühl für den Raum, ohne Empathie und Fantasie – das musste im Elend enden…

Die Stadt war brechend voll, ich könnte auch sagen: lebendig – es hat sich viel zum Positiven entwickelt in Frankfurt, das muss ich anerkennen, auch wenn ich die Disneyland-Altstadt immer noch wie ein Narkotikum empfinde angesichts der grottenhässlichen Restbebauung des Stadtzentrums. Zentrum kann nur gelebt werden, und innerhalb des kleinen Gevierts zwischen Dom und Römer wird nicht gelebt, sondern durchspaziert und geglotzt. Und fotografiert. Wenigstens die Braubachstraße symbolisiert für mich eine Rückkehr zur Urbanität. Immerhin.