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Schlagwort: Autobahn

10.11.2019

10.11.2019

Die gestern begonnene Gedankenreise setzt sich fort anläßlich eines Spaziergangs im äußersten Norden, hinter Niederursel, im Tal des lieblich dahinrauschenden Urselbachs. Hier bin ich zur Schulzeit dann und wann mit dem Fahrrad hingefahren, wenn ich nix anderes vorhatte, und habe den Mannschaften des SV 1919 Niederursel beim Kicken, genauer: beim Training zugeschaut. Schon damals war das Tal mit dem Ungetüm der Autobahn-Brücke geschlagen; aber so laut hatte ich das nicht in Erinnerung. Dabei ist die Brücke mit modernster Schallschutz-Technik ausgestattet! Doch der Lärm quillt von den Seiten ungehindert ins Tal und lässt die Ohren schaudern.

Um so verwunderlicher, dass seit einiger Zeit eine Art Kreuzzug geführt wird, um diesen – so wird behauptet – letzten Teil unberührter Natur, gleichsam den Inbegriff eines städtischen Erholungsgebiets zu schützen. Was da an Argumenten gegen die Pläne ins Feld geführt wird, in der Nähe der Autobahn eine neue Wohnsiedlung zu errichten, lässt mir die wenigen verbliebenen Haare zu Berge stehen. Der Lärm vergällt mir die Lust, dort länger zu verweilen, und im Übrigen folgt hier eine Agrarwüste der nächsten. Ein Bauernhof mit Riesen-Stallanlage wurde nahe der Kläranlage errichtet; die Felder sind – flurbereinigt – völlig ausgeräumt; Hecken für Vögel und Insekten sind nur unmittelbar bei Niederursel zu finden – eine typische moderne Agrarlandschaft, geprägt von einer Landwirtschaft, die alles großindustriell betreibt und vermarktet, nicht zu sprechen von den Giften, die da versprüht werden. Nein, das muss nicht gerettet werden! Eine andere Frage ist, ob das ein geeigneter Ort zum Leben ist – aber wer hier mit „Natur“ argumentiert, sollte sich schon mal fragen ob er oder sie da wirklich alles bedenkt, was zu bedenken ist…

9.11.2019

9.11.2019

Der allgemeine deutsche Gedenktag – aufgrund mehrerer, ganz unterschiedlicher historischer Ereignisse – war für mich in diesem Jahr verbunden mit einer gedanklichen Reise Richtung Vergangenheit. Private Umstände führten mich in die Rebstock-Siedlung, und diese Gegend ist ein Paradebeispiel für die permanenten Umwälzungen, die ich in Frankfurt erlebe. Als ich das erste Mal in meinem Leben – ich war noch keine zehn Jahre alt – dorthin kam, genauer gesagt: in die benachbarte Kuhwald-Siedlung, war ich nicht nur wegen des wundersamen Namens dieses Ortes verwundert, sondern auch deswegen, weil die ganze Gegend nicht den Eindruck verbreitete, den ich von einer „Großstadt“ schon seinerzeit erwartete. Geografisch zwar noch fast mitten in Frankfurt, wähnte ich mich schon weit draußen in der Pampa, zumindest aber am Stadtrand, öffnete sich doch an der Bebauungsgrenze nach Westen hin eine weite grüne Wiesen-Ebene, die nur akustisch durch die nahe Autobahn eingegrenzt zu sein schien. Und außer Vögeln und ein paar Spaziergängern, die ihre Hunde toben ließen, war auch nichts zu sehen, was dem Ganzen irgendwie auch nur einen Hauch städtischen Gepräges hätte verleihen können.

Heute ist das alles bebaut, natürlich im Frankfurter Maßstab enger, allzu enger Straßen, gesäumt von Blech, das auch hier trotz aller Tiefgaragen nicht genug Platz findet, und – Lichtblick – dem Rebstock-Park, zu dem der frühere Messe-Parkplatz – ja, wieder eine typisch Frankfurter Zwischenlösung, insoweit aber zum Glück – mutierte, nachdem man sich zur Wohnbebauung entschlossen hatte. Als Zwischenlösung erweist sich nunmehr auch das Rebstockbad; als Schwimmoper erst in den achtziger Jahren eröffnet, wird es bald wieder einer neuen Lösung weichen, deren Halbwertszeit nicht abgeschätzt werden kann, abgesehen davon, dass es natürlich auch nur eine kurze sein wird. Und ob der dahinter sich immer noch öffnende Park als Erholungsort weiter zur Verfügung stehen wird, bleibt offen – es werden Gedankenspiele angestellt, die in Frankfurt bitter nötigen Wohnungen hier zu errichten. Die würden zwar wohl hier keinen so richtig stören (außer den Kleingärtnern, die ihre Gärten hergeben müssten), doch ob es sich gut wohnen lässt in einem Gebiet, das ringsum von Autobahnen eingeschnürt wird und – pardon – am Arsch der Stadt liegt?

29.8.2019

29.8.2019

Es kommt immer auf den Blickwinkel an. Jede Situation ermöglicht unterschiedliche Reaktionen, und diese hängen davon ab, worauf der Fokus der Wahrnehmung gerichtet ist. Letztendlich bestimmt er dann die geistige und seelische Verfassung, in der man sich befindet. Schön, dass das immer wieder praktisch deutlich wird.

Dienstliche Verrichtungen führten mich dieser Tage nach Langenselbold, und zur Sicherung der körperlichen Fitness angesichts zweitägigen Sitzprogramms entschied ich mich, das Fahrrad mitzunehmen. Die Rückfahrt sollte weitgehend auf dem Fernradweg R 3 zurückgelegt werden, denn den gibt es, damit er auch befahren wird. Erbaulich ist diese Tour nicht gerade – genau auf dieser Teilstrecke führt der Radweg oft entlang von Autobahnen und Schnellstraßen oder kreuzt sie und der Lärmpegel schwankt bis zum Unerträglichen. Man passiert die schrecklichen Ergebnisse der Planungswut der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, wird unausweichlich zum Opfer der Auswirkungen des Primats des Autoverkehrs, der dieses Land immer noch beherrscht, und fährt doch immer wieder durch geradezu beschaulich-idyllische Naturschutzgebiete oder jedenfalls übrig gebliebene Restzonen ehemals unendlicher, zusammenhängender Flächen unberührten Daseins. Es mutet schon grotesk an – direkt neben den Auf- und Abfahrschleifen eines Autobahnkreuzes könnte man ins Wasser der verbliebenen, dunkel leuchtenden Seen in der Hanauer Bulau springen! Nachts sagen sich hier Fuchs und Hase gute Nacht und nebenan braust der Verkehr. Verrückt. Also: Schön, dass es solche Oasen noch gibt? Oder: Wie grausam, die Umgebung, in der der Mensch immerhin leben möchte, so zugrunde zu richten?

7.5.2019

7.5.2019

Stichwort Rücksichtnahme und Verantwortung – insofern waren die Wahrnehmungen in Bockenheim (siehe das Kaleidoskop vom 3.5.2019) durchaus repräsentativ, auch wenn bei diesem Ereignis viele kleine Teilvorgänge das Ganze ergaben. Mit beidem ist es in Deutschland nicht so weit her, wie täglich erlebt werden kann. Mir fallen unzählige Beispiele ein, in denen Menschen nur an sich dachten oder stur und inflexibel nur darauf beharrten, „im Recht“ zu sein, oder in denen sie sich ohne weiteres Nachdenken einfach mal vor- und die anderen eben zurückdrängten.

Im Straßenverkehr kann man das allerdings besonders häufig und besonders drastisch erleben. Ob es nun die sturen Linksfahrer auf der Autobahn sind, die im Schneckentempo die Spur blockieren, die LKW-Fahrer, die meinen, einen anderen LKW überholen zu müssen, weil sie sich um 0,1 km/h schneller wähnen, oder schlafmützige Autofahrer, die im Kreisverkehr nicht in die Gänge kommen – immer ist die Situation gepaart mit Wurschtigkeit oder Achtlosigkeit gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern. Und in solchen Situationen erinnere ich mich gern etwa an mein erstes Erlebnis als Autofahrer im fernen Florenz, wo wir seinerzeit nach langer Autobahnfahrt mitten im Berufsverkehr ankamen und ich irgendwie den Weg durch den brodelnden Verkehr zu unserer vorgebuchten Unterkunft finden musste. Damals gab es dort – im Unterschied zu Deutschland – durchaus schon Kreisverkehre, und von Fahrspuren war nichts zu sehen – um den Kreisel führte eine einzige breite Spur, voll mit Autos, die aus allen Richtungen kamen, mehrspurig, aber ohne die gewohnte deutsche Ordentlichkeit; doch meine anfängliche Verzweiflung wich sehr schnell einem angenehmen, entspannten Aufatmen, als ich erlebte, wie sich diese Automasse, die Fahrzeuge dicht an dicht, mäandernd um den Kreisel herumbewegte und jedem das Fortkommen ermöglichte, ohne auch nur einen einzigen auszugrenzen, am Hineinkommen oder Herausfahren zu hindern oder gar auf irgendeiner „Rechtsposition“ zu beharren. Es wäre nachgerade auch lächerlich gewesen. Und das bei den als heißblütig angesehenen Italienern! Die gegenseitige Rücksichtnahme ermöglichte einen steten Verkehrsfluß und niemand musste befürchten, dass das Auto verschrammt werden könnte. Weil jeder wusste: Wir wollen alle irgendwohin, und nur gemeinsam kommen wir weiter.