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Schlagwort: Brühmarkt

8.8.2019

8.8.2019

Das Wiedersehen im Brühmarkt bleibt freilich – abgesehen vom freundlich-zugewandten Personal hinter der Theke – eher die Ausnahme. Aber zu gucken gibt es immer was. Und heute fiel der Blick auf einen Herrn mittleren Alters, die kurzen Haare schon einheitlich hellgrau, der, in stramm sitzender Outdoor-Kleidung gewandet und beschuht, besser: bestiefelt, als wäre er ein Model von McTrek mit der aktuellen Trekking-Kollektion für Hard-Core-Wanderer, draußen gerade neben der Eingangstür saß und die Frankfurter Rundschau durchblätterte.

Das wäre jetzt noch nicht ein Grund, ihm Aufmerksamkeit zu widmen. Aber bei genauem Hinsehen konnte man entdecken, dass er gleichzeitig auch noch die Süddeutsche Zeitung neben sich liegen hatte. Und nicht nur das, er schmökerte auch darin. Dass andere Gäste, die das eine oder das andere Blatt auch lesen mochten, dann erst mal ohne Lektüre blieben, schien ihn nicht zu stören. Als dann der Service das bestellte Joghurt-Müsli mit frischen Früchten (Delikatesse, zumal da an besonders naturnahem Joghurt angemacht) bereitstellte, war ich allein davon gebannt, wie er es fertigbrachte, zwischen den aufgefalteten Zeitungspapieren, die natürlich auf den verschränkten Beinen lagen, die er aber auch noch in der Hand hielt, mit dem langen Löffel in seinem Joghurt herumzustochern und von der Schüssel ein paar Happen tatsächlich auch in seinen Mund zu befördern, natürlich ohne den Blick von den Zeitungen auf das zu wenden, was er gerade tat. Es war auch nicht zu erkennen, ob er tatsächlich schmeckte, was er da aß, oder ob es sich um eine rein mechanische Gewohnheits-Handlung handelte, das Ausführen bloßer Bewegungen bar jeder sinnlichen Perzeption. Wie dem auch sei – da hat auf jeden Fall der äußere Eindruck mal wieder gründlich getäuscht!

2.8.2019

2.8.2019

Beim morgendlichen Kaffee auf dem Außengelände des Brühmarkts in der Adalbertstraße sitzt heute ein junger Mann am Nebentisch; geschlossene Augen, kerzengerade Sitzhaltung, den Rücken fest an die Lehne und den Kopf an die große Schaufensterscheibe gelehnt, vollkommen in sich versunken. Seine Hände, auf dem Schoß vor dem Körper ineinander verschränkt, formen ein Mudra. Ganz klar: Er meditiert.

Mir ist das Meditieren nun auch sehr vertraut, und ich bewundere die absolut klare Präsenz, die die Körperhaltung dieses Mannes so eindeutig zum Ausdruck bringt. Auf die Idee, ausgerechnet an dieser Ecke im brüllenden Verkehrslärm und dem Gewusel der Passanten Meditation zu praktizieren, wäre ich aber selbst in 50 Jahren nicht gekommen. Zwar unterscheidet sich mein „Sitzen“ an dieser Stelle durchaus deutlich von dem der anderen Gäste – mir kommt es schon manchmal so vor, als trüge mein sinnentleertes Schauen, das Beobachten dessen, was um mich herum vor sich geht, das stille Verharren vor dem doppelten Espresso, verbunden mit dem sensorischen Genuss, den das dunkle Gebräu einschließlich der wunderbaren Crema vermittelt, Züge von kontemplativer Versenkung. Aber die Augen habe ich bislang noch nicht geschlossen; wer weiß, was dann geschähe… und erst recht kann ich mir nicht vorstellen, dort barfuß zu sitzen wie mein Nachbar, der sich seiner Schuhe und Socken entledigt hatte und dessen bloße Füße auf dem Pflaster ruhten. Er schien vollständig entrückt… bis mit einem Mal, ganz plötzlich, ein breites Lächeln über sein Gesicht huschte, er im gleichen Moment die Augen öffnete (oder war das einen Moment zuvor?) und freudestrahlend einen anderen jungen Mann begrüßte, der sich, bepackt mit zwei prall gefüllten Satteltaschen, seinem Tisch näherte. Also sowas… entweder war er hellsichtig oder mit der Meditation war es doch nicht so weit her! Oder befand er sich etwa in einer Sphäre, in der das Unsagbare gesagt und das Unsichtbare gesehen werden kann?

20.2.2019

20.2.2019

Phantasie muss heute schon aufgewendet werden, wenn man beachtet werden will. Ladengeschäfte (oh je, wie technokratisch) werden in moderner Zeit nicht mehr so einfach als „Gemüse-Laden“ (ihhh, 50er Jahre) oder auch „Hessen-Shop“ (na ja, wenigstens 90er, und der Begriff suggeriert immerhin Weltläufigkeit, selbst wenn der Laden nur Regionales im Angebot führt) annonciert. Der Name muss schon origineller ausfallen, gell! Zum Beispiel „gramm.genau“; nur dass man da zwar vermuten kann, dass irgendwas gewogen werden dürfte – aber was? Insofern könnte etwas mehr Aussagekraft angebracht sein, wie zum Beispiel bei „Scherenhände“. Da verengt sich die Zahl potenzieller Dienstleistungen, die unter dieser Firma erhältlich sind, doch schon deutlich. Und nein, es ist kein Schneidergeschäft! „Haarscharf“ könnte dagegen wieder etwas daneben sein; sozusagen haarscharf…

Beim „Brühmarkt“ in Bockenheim gibt’s keine Suppen, sondern anderes Gebrühtes, und auch die Brühware wird verkauft. Aber da bekommt auch die für das heimische Brühen zu erstehende Ware Bezeichnungen, die aus der Reihe tanzen – „Fielgut“, „Full of Spritz“, „Käschual“ oder „Rieweivel“, um nur einige zu nennen. Ist aber ja bei näherem Hinsehen nur Schreib-Akrobatik, wie der Kundige der englischen Sprache schnell merkt. Doch immerhin: sie passen, wie die zahlreichen Proben aufs Exempel bestätigten. Und da sich sicher niemand von einem „Broth-Market“ angezogen fühlte, ist es verständlich, dass man beim Namen des Ganzen selbst wieder auf die deutsche Sprache zurückgriff.