Browsed by
Schlagwort: Facebook

Am besten abmelden…

Am besten abmelden…

Ohne soziale Medien scheint nichts mehr zu gehen – nachdem selbst die politische Öffentlichkeitsarbeit ins Reich der digitalen, schnellebigen Welt verlagert und Facebook, Instagram oder X (Twitter hieß das mal) genutzt werden, um umgehend aktuelle politische Erklärungen unters Volk zu bringen, scheint eine Nutzung dieser Medien – sprich: eine Mitgliedschaft durch Eröffnung eines Nutzer-Kontos – zwingend, will man nicht als hoffnungslos altbacken gelten.

Und doch: Es gibt gute Gründe, sich von dieser Digitalwelt gründlich zu verabschieden, selbst wenn man sich – wie ich – nur bei Facebook bewegt hat. Nicht nur, dass Mark Zuckerberg dem vor kurzem gewählten US-Präsidenten seinen Liebesdienst erwiesen und das Faktenchecken eingestellt hat. Kein Wunder, dass dort etwa nun Fotos gepostet werden, die angeblich Frankfurt, erkennbar jedoch eine ganz andere Stadt zeigen, von der man nicht weiß, ob es sie überhaupt gibt; oder Texte, über deren Wahrheitsgehalt nur spekuliert werden kann. Definitiv geringer geworden ist die Zahl persönlicher Botschaften oder „Posts“ von „Freunden“. Zugenommen hat hingegen seit der Bundestagswahl die Zahl von Bildveröffentlichungen, die die Größe der neuen Fraktion der AFD dokumentieren und verbal nur schwer verhüllen können, dass es bei dem – in der Regel männlichen – Verfasser beim Betrachten derselben gerade zu einer ejaculatio praecox gekommen sein muss. Aber wer zum Teufel ist dafür verantwortlich, dass mir inzwischen in ungefähr jedem zehnten „Post“ mit nachkolorierten Fotografien das beschauliche Geschehen im zweiten Weltkrieg veranschaulicht wird, das deutsche Soldaten natürlich nur beim Rauchen an der Gulaschkanone oder in der „Pause“ kennt, nicht aber beim sonstigen Tagesablauf, der ja womöglich noch die Auslöschung einer kompletten Dorfbevölkerung vorgesehen haben mag… Da wird Landserleben so verharmlost, ja subcutan verherrlicht (ja ja, das waren noch Zeiten und Männer!), dass einem übel wird. Und keiner kontrolliert, wer da was publiziert; und wozu das Ganze gut sein soll, kann man sich denken: Rechtsradikale Propaganda, unterschwellig und indirekt, ganz nach dem Motto: Irgendwie kommt das schon ins Bewusstsein… Für mich kann die Konsequenz nur sein: Diesem rechtsfreien Raum entziehe ich mich. Ich melde mich ab. Finito.

11.10.2020

11.10.2020

Wer das 60. Lebensjahr überschritten hat, nimmt – wenn alles sich positiv entwickelt hat – nicht mehr alles schweigend hin. Man muss ja auch nicht alles herunterschlucken, nur damit kein Ärger aufkommt. Als ich heute knapp einem Unfall entrann, war es einmal wieder soweit. 2 cm fehlten, und der Kleine wäre mir mit seinem Rad von hinten in die Beine gekracht. Ich ging am Niddauferweg schon ganz rechts, aber irgendwie schaffte es der Kleine – höchstens 2 Jahre alt – gerade noch, mich rechts zu überholen und dennoch mich nicht zu rammen. Sein nicht viel älterer Bruder schnitt mir dafür links den Weg. Immerhin, der hinterdrein radelnde Papa entschuldigte sich noch; danke. Doch ich wagte es, den Mund aufzumachen und Papa durchaus emotionslos darauf anzusprechen, dass dies nur die logische Konsequenz sei, wenn man ein Kind in diesem zarten Alter aufs Rad setzt. Es fehlte nicht viel und der Mann wäre vom Rad gestiegen und hätte mir eine geknallt.

Ja, Toleranz wird immer knapper. Auch auf kritische Posts bei Facebook muss man immer wütend-ablehnende Kommentare gewärtigen, wenn nicht noch Schlimmeres. Leider ist es zur Regel geworden: Pointierte, aber immerhin sachliche Posts werden mit aggressiven Gegen-Posts bedacht, ohne dass diesen sich entnehmen ließe, dass der Verfasser oder die Verfasserin meinen Kommentar auch nur ansatzweise verstanden hätte. Aber darum geht es ja auch nicht. Man haut um sich, um irgendwie zu verdeutlichen, dass man existiert. Posts dienen nur der Versicherung scheinbarer Übereinstimmung mit (scheinbar) Gleichgesinnten und zur klaren Abgrenzung von allem, was mit eigenem Denken und Fühlen nicht konform geht. Das schafft Identität. Früher, am Info-Stand der Jusos, wurde mir oft entgegengeblafft, ich möge doch „nach drüben“ gehen, wenn mir was nicht passe. Vierzig Jahre später ist es nicht besser geworden – es hat sich nur ins digitale Netz verlagert…