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Schlagwort: Florenz

4.11.2019

4.11.2019

Die Woche beginnt – wenn es eine Arbeitswoche ist – mit einer Fahrradfahrt ins Büro, und die führt durch die engen, an beiden Seiten dicht zugeparkten Sträßchen Bockenheims. Montags ist es auch für Fahrradfahrer immer ein zweifelhaftes Vergnügen, betreibt doch dann – vormittags – immer auch die städtische Müllabfuhr ihr Geschäft, und das bedeutet nicht nur, dass sich endlose Schlangen wartender Autos in den Straßen hinter dem Müllfahrzeug stauen, sondern auch Fahrradfahrer eine Zwangspause einlegen müssen, kommen sie doch an den Fahrzeugen und der Ursache des Staus nicht vorbei – es sei denn, das Fahrrad würde auf dem Gehweg geschoben. Doch so sehr ich mein Fahrrad liebe – dazu habe ich überhaupt keine Lust, und so suche ich mir dann schon vorsorglich einen Ausweg, leider oft nur in Gestalt eines Umwegs.

Da werden dann immer Sehnsüchte ins gelobte Land wach, das in diesem Fall – man mag es kaum glauben – Italien heißt! Denn dort gibt es, wie ich schon 1983 feststellen konnte, die jeweils auf Verkehrsschildern angekündigte „Pulizia notturno“, und das hat nix mit Polizei zu tun, sondern bedeutet nur, dass die Straßen dort des Nachts gesäubert werden, was auch die Leerung der grauen Tonnen einschloss und jeweils die Anordnung eines entsprechenden Halt- und Parkverbots erforderte. Ich hielt das damals für sensationell, wenn auch klar war, dass es in Florenz – wo das Ganze stattfand – anders sowieso nicht ging, da die Straßen und Gassen dort noch enger und voller mit Blech waren als in Bockenheim. Nachts arbeiten – eine nachgerade ebenso revolutionäre wie sinnvolle Lösung! Und das in Italien, wo den Italienern doch landläufig eher nicht akribischer Arbeitsfleiß nachgesagt wird, was sich in meiner Einschätzung spätestens seit damals als üble Unterstellung erwies. Offenkundig in Deutschland eine nicht denkbare Lösung, obwohl ihre Realisierung nur positive Auswirkungen für alle hätte. Also – da müssen die alten Vorurteile doch gehörig überdacht werden. Effizienz und Sinnhaftigkeit – in Deutschland eher Fehlanzeige!

7.5.2019

7.5.2019

Stichwort Rücksichtnahme und Verantwortung – insofern waren die Wahrnehmungen in Bockenheim (siehe das Kaleidoskop vom 3.5.2019) durchaus repräsentativ, auch wenn bei diesem Ereignis viele kleine Teilvorgänge das Ganze ergaben. Mit beidem ist es in Deutschland nicht so weit her, wie täglich erlebt werden kann. Mir fallen unzählige Beispiele ein, in denen Menschen nur an sich dachten oder stur und inflexibel nur darauf beharrten, „im Recht“ zu sein, oder in denen sie sich ohne weiteres Nachdenken einfach mal vor- und die anderen eben zurückdrängten.

Im Straßenverkehr kann man das allerdings besonders häufig und besonders drastisch erleben. Ob es nun die sturen Linksfahrer auf der Autobahn sind, die im Schneckentempo die Spur blockieren, die LKW-Fahrer, die meinen, einen anderen LKW überholen zu müssen, weil sie sich um 0,1 km/h schneller wähnen, oder schlafmützige Autofahrer, die im Kreisverkehr nicht in die Gänge kommen – immer ist die Situation gepaart mit Wurschtigkeit oder Achtlosigkeit gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern. Und in solchen Situationen erinnere ich mich gern etwa an mein erstes Erlebnis als Autofahrer im fernen Florenz, wo wir seinerzeit nach langer Autobahnfahrt mitten im Berufsverkehr ankamen und ich irgendwie den Weg durch den brodelnden Verkehr zu unserer vorgebuchten Unterkunft finden musste. Damals gab es dort – im Unterschied zu Deutschland – durchaus schon Kreisverkehre, und von Fahrspuren war nichts zu sehen – um den Kreisel führte eine einzige breite Spur, voll mit Autos, die aus allen Richtungen kamen, mehrspurig, aber ohne die gewohnte deutsche Ordentlichkeit; doch meine anfängliche Verzweiflung wich sehr schnell einem angenehmen, entspannten Aufatmen, als ich erlebte, wie sich diese Automasse, die Fahrzeuge dicht an dicht, mäandernd um den Kreisel herumbewegte und jedem das Fortkommen ermöglichte, ohne auch nur einen einzigen auszugrenzen, am Hineinkommen oder Herausfahren zu hindern oder gar auf irgendeiner „Rechtsposition“ zu beharren. Es wäre nachgerade auch lächerlich gewesen. Und das bei den als heißblütig angesehenen Italienern! Die gegenseitige Rücksichtnahme ermöglichte einen steten Verkehrsfluß und niemand musste befürchten, dass das Auto verschrammt werden könnte. Weil jeder wusste: Wir wollen alle irgendwohin, und nur gemeinsam kommen wir weiter.