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Schlagwort: Parallelwelt

24.2.2019

24.2.2019

Wir befinden uns in der Hochzeit der Fassenacht. In Klaa Paris, wie Heddernheim dieser Tage nur noch genannt wird, tobt der Bär. Herren- und Damen-Sitzungen wechseln sich mit Kreppelkaffee und Bällen ab, wo die Narren tanzen. Und heute war mitten am Tag das traditionelle Gardetreffen am Clubhaus. Da kommen die Garden von nah und fern (bis aus dem Odenwald!) zusammen und vertreiben sich – wenn’s Wetter schön ist – auch draußen die Zeit bei Grillwurst und natürlich erheblichen Mengen hochprozentiger Flüssigkeit.

Schon als Kind habe ich gestaunt über die stattlichen Herren in ihren ordenverzierten Uniformen, vor allem aber über die Narrenkappen. Heute erstaunt mich eher, dass es das alles immer noch so gibt. Als wäre die Zeit stehen geblieben. Lustiges Treiben ist das eine; warum nicht. Aber diese Parallelwelt, die da in aller Regelhaftigkeit und hierarchischen Struktur nachgebildet wird, wo das Patriarchat noch verherrlicht wird und wo sogar der Humor verordnet ist… und die doch nur dem Zweck dient, nach allen Regeln der Kunst die Sau rauszulassen – muss sowas im Jahr 2019 wirklich noch sein oder lassen sich nicht vielleicht doch dem heutigen Entwicklungsstand der Menschheit angemessenere Möglichkeiten finden, sich zu amüsieren? – Oh, da haben wir es. Vielleicht unterstelle ich einen Entwicklungsstand, den es gar nicht gibt?

7.1.2019

7.1.2019

Da ich auf dem Rückweg von einer Dienstreise am Hauptbahnhof landete und keine Lust hatte, schon wieder in einen Zug zu steigen und mit der U-Bahn nach Hause zu fahren, entschied ich mich für einen kurzen Spaziergang durch das schon seit längerem als angesagt gehypte Bahnhofsviertel. Einen Grund für den Hype konnte ich auch diesmal wieder – wie schon unzählige Male zuvor – nicht entdecken. Die Straßen sind nach wie vor schmuddelig, unabhängig vom Wetter, mit angetrocknetem Blut und Scherben bedeckt und mit allerlei Unrat übersät; zum Verweilen lädt das Viertel (abgesehen von den orientalischen Mitbürgern in und vor ihren zahlreichen Läden) nur die Junkies – immer noch, oder schon wieder – und andere Gestrandete ein.

Und was die angeblich attraktive Atmosphäre angeht, die zuletzt während der sommerlichen Bahnhofsviertelnacht in großflächig projizierten Videos beschworen wurde – die spüre ich nicht, weder an grauen, kühlen Wintertagen wie diesem noch im Sommer, wenn die Sonne scheint. Woher soll sie auch kommen? Allein 8 oder 9 Friseursalons bloß auf der Münchener Straße, wobei ich nur auf der rechten Straßenseite gezählt habe; zum Teil einer neben dem anderen, und in allen die ewig gleich aussehenden, mit strenger Miene einen ebenso strengen Scheitel über ausrasiertem Nacken ziehenden Barbiere, sämtlich ausschließlich Männer bedienend… eine Parallelwelt, die mir so fremd vorkommt, dass ich dort nicht hingehen möchte, und schon gar nicht leben. Doch das ist eh kein Thema – bei den mittlerweile auch dort verlangten Mieten könnte ich es gar nicht, vom Kaufen ganz zu schweigen.