9.11.2019
Der allgemeine deutsche Gedenktag – aufgrund mehrerer, ganz unterschiedlicher historischer Ereignisse – war für mich in diesem Jahr verbunden mit einer gedanklichen Reise Richtung Vergangenheit. Private Umstände führten mich in die Rebstock-Siedlung, und diese Gegend ist ein Paradebeispiel für die permanenten Umwälzungen, die ich in Frankfurt erlebe. Als ich das erste Mal in meinem Leben – ich war noch keine zehn Jahre alt – dorthin kam, genauer gesagt: in die benachbarte Kuhwald-Siedlung, war ich nicht nur wegen des wundersamen Namens dieses Ortes verwundert, sondern auch deswegen, weil die ganze Gegend nicht den Eindruck verbreitete, den ich von einer „Großstadt“ schon seinerzeit erwartete. Geografisch zwar noch fast mitten in Frankfurt, wähnte ich mich schon weit draußen in der Pampa, zumindest aber am Stadtrand, öffnete sich doch an der Bebauungsgrenze nach Westen hin eine weite grüne Wiesen-Ebene, die nur akustisch durch die nahe Autobahn eingegrenzt zu sein schien. Und außer Vögeln und ein paar Spaziergängern, die ihre Hunde toben ließen, war auch nichts zu sehen, was dem Ganzen irgendwie auch nur einen Hauch städtischen Gepräges hätte verleihen können.
Heute ist das alles bebaut, natürlich im Frankfurter Maßstab enger, allzu enger Straßen, gesäumt von Blech, das auch hier trotz aller Tiefgaragen nicht genug Platz findet, und – Lichtblick – dem Rebstock-Park, zu dem der frühere Messe-Parkplatz – ja, wieder eine typisch Frankfurter Zwischenlösung, insoweit aber zum Glück – mutierte, nachdem man sich zur Wohnbebauung entschlossen hatte. Als Zwischenlösung erweist sich nunmehr auch das Rebstockbad; als Schwimmoper erst in den achtziger Jahren eröffnet, wird es bald wieder einer neuen Lösung weichen, deren Halbwertszeit nicht abgeschätzt werden kann, abgesehen davon, dass es natürlich auch nur eine kurze sein wird. Und ob der dahinter sich immer noch öffnende Park als Erholungsort weiter zur Verfügung stehen wird, bleibt offen – es werden Gedankenspiele angestellt, die in Frankfurt bitter nötigen Wohnungen hier zu errichten. Die würden zwar wohl hier keinen so richtig stören (außer den Kleingärtnern, die ihre Gärten hergeben müssten), doch ob es sich gut wohnen lässt in einem Gebiet, das ringsum von Autobahnen eingeschnürt wird und – pardon – am Arsch der Stadt liegt?