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Schlagwort: Rücksichtnahme

7.5.2019

7.5.2019

Stichwort Rücksichtnahme und Verantwortung – insofern waren die Wahrnehmungen in Bockenheim (siehe das Kaleidoskop vom 3.5.2019) durchaus repräsentativ, auch wenn bei diesem Ereignis viele kleine Teilvorgänge das Ganze ergaben. Mit beidem ist es in Deutschland nicht so weit her, wie täglich erlebt werden kann. Mir fallen unzählige Beispiele ein, in denen Menschen nur an sich dachten oder stur und inflexibel nur darauf beharrten, „im Recht“ zu sein, oder in denen sie sich ohne weiteres Nachdenken einfach mal vor- und die anderen eben zurückdrängten.

Im Straßenverkehr kann man das allerdings besonders häufig und besonders drastisch erleben. Ob es nun die sturen Linksfahrer auf der Autobahn sind, die im Schneckentempo die Spur blockieren, die LKW-Fahrer, die meinen, einen anderen LKW überholen zu müssen, weil sie sich um 0,1 km/h schneller wähnen, oder schlafmützige Autofahrer, die im Kreisverkehr nicht in die Gänge kommen – immer ist die Situation gepaart mit Wurschtigkeit oder Achtlosigkeit gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern. Und in solchen Situationen erinnere ich mich gern etwa an mein erstes Erlebnis als Autofahrer im fernen Florenz, wo wir seinerzeit nach langer Autobahnfahrt mitten im Berufsverkehr ankamen und ich irgendwie den Weg durch den brodelnden Verkehr zu unserer vorgebuchten Unterkunft finden musste. Damals gab es dort – im Unterschied zu Deutschland – durchaus schon Kreisverkehre, und von Fahrspuren war nichts zu sehen – um den Kreisel führte eine einzige breite Spur, voll mit Autos, die aus allen Richtungen kamen, mehrspurig, aber ohne die gewohnte deutsche Ordentlichkeit; doch meine anfängliche Verzweiflung wich sehr schnell einem angenehmen, entspannten Aufatmen, als ich erlebte, wie sich diese Automasse, die Fahrzeuge dicht an dicht, mäandernd um den Kreisel herumbewegte und jedem das Fortkommen ermöglichte, ohne auch nur einen einzigen auszugrenzen, am Hineinkommen oder Herausfahren zu hindern oder gar auf irgendeiner „Rechtsposition“ zu beharren. Es wäre nachgerade auch lächerlich gewesen. Und das bei den als heißblütig angesehenen Italienern! Die gegenseitige Rücksichtnahme ermöglichte einen steten Verkehrsfluß und niemand musste befürchten, dass das Auto verschrammt werden könnte. Weil jeder wusste: Wir wollen alle irgendwohin, und nur gemeinsam kommen wir weiter.

3.5.2019

3.5.2019

Heute begegnete mir im Niddapark auf dem Weg zur Arbeit der erste Radfahrer mit Handy am Ohr. Also doch nicht nur die Radfahrerinnen. Im Unterschied zu der Situation von neulich befand er sich allerdings auf einem geraden Weg, eine Kurve oder gar Unterführung drohte nicht, und man konnte ihn – und er die Umgebung – gut sehen. Trotzdem.

In Bockenheim herrschte dann auf der Kreuzung Landgrafenstraße/ Leipziger Straße das pure Chaos. Stillstand. Mitten auf der Kreuzung ein Auto; von links ebenso, beide wussten nicht, wer jetzt fahren darf. Radfahrer dazwischen, die abwarten mussten, wer sich in Bewegung setzt, um nicht unter die Reifen zu kommen. Und an jeder Straßenseite Fußgänger, die die Straßen überqueren wollten, sich aber nicht trauten. Ursache des Dilemmas war ein PKW in der Landgrafenstraße, der direkt vor der Kreuzung verbotswidrig in der zweiten Reihe stand, natürlich mit Warnblinkerei, weil die Leute dann denken, dann sei es erlaubt, so zu parken. Er blockierte naturgemäß die Fahrspur, und es herrschte halt reger Verkehr – die anderen Fahrzeuge wollten vorbeifahren und mussten sich eine Spur teilen, und für die Hälfte von ihnen war es die Gegenspur, wo sie ja auch nichts zu suchen hatten. Eine gut angezogene, aber dick geschminkte Frau mittleren Alters entstieg dem Mercedes. Auf meinen Zuruf, sie solle sich mal ansehen, was für ein Chaos ihretwegen entstanden sei, schnappte sie nur baff „Na und?“. Ja, das sagt alles. Es ist wurscht, was mein Verhalten bewirkt. Hauptsache, ich kann den Wagen bequem abstellen und tun und lassen, was mir einfällt. Rücksichtnahme oder Verantwortungsbewusstsein – Fehlanzeige. Hierzulande denken viele nur noch an sich.