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Monat: Januar 2019

9.1.2019

9.1.2019

Kaffeehaus-Atmosphäre – ein „Kleiner Brauner“, eine Melange oder gar ein „Einspänner“ – wem der Sinn nicht nur nach Kaffeegenuss, sondern auch der dazu einfach notwendig gehörenden Stimmung steht, der denkt unweigerlich an Wien. Das Wiener Kaffeehaus und seine nörgelnden Ober sind Institutionen, derentwegen Millionen von Touristen die Stadt besucht haben und auch weiterhin besuchen werden, mag auch dort das Kaffeehaus alter Tradition längst nicht mehr in so großer Zahl wie früher anzutreffen sein.

Mit Frankfurt verbindet man das nicht, ungeachtet der geradezu atemberaubend gewachsenen Zahl neuartiger Coffeeshops oder Espresso-Bars. Allein die Adalbertstraße in Bockenheim bietet auf ihren knapp 500 m Länge deren 4, das „Crumble“ und das „Albatros“ um die Ecke nicht mitgezählt; dazu zwei Bäckereien mit Kaffee-Anschluss und einige Pizzerien, die natürlich auch Espresso im Angebot haben. Die Kaffee-Auswahl lässt keine Wünsche mehr offen – aber Atmosphäre? Zum Entspannen wie im Wiener Kaffeehaus sind alle diese Etablissements der falsche Ort, auch das Crumble, das mittlerweile scharenweise die jungen Mütter mit ihren schreienden Säuglingen angelockt hat, die früher im Albatros dem Stillen nachgingen. Überall nüchtern-sachliche Einrichtung, spröde Geschäftigkeit (teils mit Selbstbedienung), erheblicher Lärmpegel und weitgehend ein Publikum, neben dem zu sitzen jedenfalls mir keinen Spaß macht. Etwa jeder zweite sitzt vor einem aufgeklappten Laptop und schlürft kaltgewordene Latte. Und mehr als 2 Euro für einen Espresso zu zahlen – das ließe sich kein Italiener im Heimatland bieten…

8.1.2019

8.1.2019

Der Prozess des Alterns geht einher mit der Entwicklung einer zunehmenden Intoleranz gegenüber sinnlicher Reizüberflutung. Bei mir hat dies unter anderem zur Folge, dass ich kaum noch ins Kino gehe. Nicht nur, dass die Filme allgemein durch immer schnellere Schnittfolgen immer hektischer erscheinen; nein, vor allem die Unmengen an Filmankündigungen und Werbetrailern empfand ich schon vor Jahren als aufdringlich bis unerträglich. Höhepunkt war dann immer die obligate aufgezwungene Eisverkaufs-Pause. Ich will doch einen Film sehen, keine Schnipsel, und zum Eisessen gehe ich in die Eisdiele! Wie schön, dass irgendwann die Arthouse-Kinos eine werbefreie Nische schufen und auch die Filmankündigungen auf ein erträgliches Maß begrenzten.

Vorbei, leider. Gestern in der Abendvorstellung in der „Harmonie“ – immerhin auch schon fast eine Spätabend-Vorstellung – galt es erst einmal ein fast halbstündiges Panoptikum kurz hintereinandergeschnittener Werbesequenzen und noch kürzerer Filmankündigungen zu ertragen, aufgemischt durch 4 bis 5 Trailer, die zeigten, dass es mit der Filmkunst auch nicht mehr so weit her ist. Sicher, hier sah man nicht den Marlboro-Cowboy, sondern den Rettungskapitän der Seenothilfe im Mittelmeer; aber Werbung verliert ihren übergriffigen Charakter auch dann nicht, wenn sie im Gewand politischer Korrektheit daherkommt. Die neue Geschäftsleitung hat einen großen Fehler gemacht: Wer wie ich in erster Linie einen Film – und nur einen Film – gucken will, lässt in Zukunft auch Arthouse links liegen.

7.1.2019

7.1.2019

Da ich auf dem Rückweg von einer Dienstreise am Hauptbahnhof landete und keine Lust hatte, schon wieder in einen Zug zu steigen und mit der U-Bahn nach Hause zu fahren, entschied ich mich für einen kurzen Spaziergang durch das schon seit längerem als angesagt gehypte Bahnhofsviertel. Einen Grund für den Hype konnte ich auch diesmal wieder – wie schon unzählige Male zuvor – nicht entdecken. Die Straßen sind nach wie vor schmuddelig, unabhängig vom Wetter, mit angetrocknetem Blut und Scherben bedeckt und mit allerlei Unrat übersät; zum Verweilen lädt das Viertel (abgesehen von den orientalischen Mitbürgern in und vor ihren zahlreichen Läden) nur die Junkies – immer noch, oder schon wieder – und andere Gestrandete ein.

Und was die angeblich attraktive Atmosphäre angeht, die zuletzt während der sommerlichen Bahnhofsviertelnacht in großflächig projizierten Videos beschworen wurde – die spüre ich nicht, weder an grauen, kühlen Wintertagen wie diesem noch im Sommer, wenn die Sonne scheint. Woher soll sie auch kommen? Allein 8 oder 9 Friseursalons bloß auf der Münchener Straße, wobei ich nur auf der rechten Straßenseite gezählt habe; zum Teil einer neben dem anderen, und in allen die ewig gleich aussehenden, mit strenger Miene einen ebenso strengen Scheitel über ausrasiertem Nacken ziehenden Barbiere, sämtlich ausschließlich Männer bedienend… eine Parallelwelt, die mir so fremd vorkommt, dass ich dort nicht hingehen möchte, und schon gar nicht leben. Doch das ist eh kein Thema – bei den mittlerweile auch dort verlangten Mieten könnte ich es gar nicht, vom Kaufen ganz zu schweigen.

6.1.2019

6.1.2019

Der Sonntag kann durch Ereignisarmut gekennzeichnet sein, besonders, wenn Drei-Königs-Tag ist und keine heiligen Könige erscheinen… aber wer wartet schon ernsthaft auf sie? Nicht einmal die Kirchgänger werden glauben, Kaspar, Melchior und Balthasar leibhaftig im Hochamt zu begegnen, da mögen die Glocken auch noch so verzweifelt läuten.

Wenigstens herrscht diesmal ein Hauch von Gerechtigkeit. Sonntags haben eben alle frei, auch diejenigen, die nicht in den heiligen Freistaaten und in den von Katholiken beherrschten Gegenden leben. Zu Allerheiligen und Allerseelen wünschte mir doch tatsächlich ein Bekannter von südlich des Mains „Frohe Feiertage“! Von einer derartigen Fülle arbeitsfreier Tage wie in Bayern oder Sachsen können die säkularen Hessen nur träumen. Mit welchem Recht darf Glaube eigentlich zum Grund für weltliche Ungleichbehandlung genommen werden? Der Föderalismus führt zu merkwürdigen Auswüchsen…

5.1.2019

5.1.2019

Es sieht so aus, als hätten sogar die Lieferdienste nicht nur über die Feiertage ihren Betrieb eingestellt. Der Bio-Markt ist so voll mit Kunden, wie ich ihn noch nie gesehen habe. Genau das Gegenteil spiegeln die Regale und Auslagen. In der Frisch-Abteilung gibt es keinen Lauch und keinen Mangold mehr und in der Gemüsekiste bezeugt nur noch eine kleine verbliebene Tüte Grünkohl, dass zuvor eine Horde biologisch-dynamisch und vegetarisch lebender Käuferinnen und Käufer den Laden gestürmt haben muss.

Doch selbst im Bioladen wird mittlerweile fast durchweg mit Karte bezahlt. Das führt bei dem nur knapp vorhandenen Stauraum und lediglich zwei Kassen dann doch zu längeren Stehaufenthalten. Noch langsamer als die Warenbänder sich leeren wird der Zahlungsvorgang abgewickelt; dann und wann muss das Beleg-Papier auch erneuert werden, was wiederum zu Verlängerungen der Wartezeit führt, und wenn es dann auch noch Anlass zu einer Reklamation gibt… na ja, das Jahr ist noch jung, es ist Wochenende, wir sind gut ins Neue Jahr gekommen, sei’s drum – wer wird sich denn darüber aufregen, wenn man einfach mal nur dastehen und zugucken kann…

4.1.2019

4.1.2019

So ruhig es in den Weihnachtsferien auf den Straßen auch ist – andere Orte werden in dieser Zeit besser gemieden. Ziehe ich sonst zum Beispiel im Rebstockbad an Nachmittagen wie diesen in aller Ruhe meine Bahnen und habe mindestens eine ganze Bahn für mich allein, erinnerten mich heute halbwüchsige Mädels, die meine Bahn ohne Rück- und Vorsicht kreuzten, und ganze Heerscharen ins Wasser hüpfender und kreischender Bengel daran, dass Mütter offenkundig recht froh sind, wenn ihre kurz vor der Pubertät stehenden Kinder den Nachmittag im Wasser statt daheim verbringen. Die Schlange an der Rutsche war so lang, dass man beim Vorübergehen aufpassen musste, wegen des glitschigen Bodens nicht die Zuschauerränge zum Schwimmerbecken hinunterzustürzen. Und permanent ein ohrenbetäubendes Schreien und Quieken.

Trotz alledem soll das Bad – knapp 30 Jahre nach seiner Errichtung – demnächst abgerissen werden. Der Hinweis auf die marode Bausubstanz und die hohen Kosten einer Sanierung – trotz regelmäßiger Instandhaltungsmaßnahmen, die in jedem Jahr zu mehrwöchigen Schließungen führten! – erinnert verdammt an die Geschichte des ehemaligen Stadtbads Mitte, das mit gleicher Begründung vor Jahren schon kurzerhand privatisiert und damit der Öffentlichkeit weitgehend entzogen wurde. Warum steht eigentlich der Römer noch? Und dass andere Gebäude ähnlichen Alters, wie etwa die „Schirn“, ebenfalls abgerissen werden sollen, habe ich noch nicht vernommen…

3.1.2019

3.1.2019

Offenbar ist es tatsächlich so – alles gerät aus den Fugen, nichts ist mehr, wie es war. Ob Klimawandel oder deutsche Automobilhersteller, man kann einfach nicht mehr darauf vertrauen, dass es so kommt, wie es früher üblich war. Dies gilt leider auch für die fünfte Jahreszeit, diejenige zwischen den Weihnachtstagen und kurz nach dem Jahreswechsel, in der – jedenfalls nach den Verhältnissen auf den Straßen zu urteilen – die knappe Hälfte der Frankfurter Bevölkerung Reißaus genommen hat und sich an warmen Meeresgestaden Sonnenbrände oder auf weiß (aber spärlich) verschneiten Pisten Beinbrüche zuzieht.

Ich habe diese Zeit früher immer genossen, weil es so beschaulich und ruhig zuging: Im Büro störte niemand; das Telefon blieb stumm, und – vor allem – die öffentlichen Verkehrsmittel fuhren durchweg nach Plan. Welch ein Genuss, endlich einmal die Anschluss-Straßenbahn in Ginnheim erwischen zu können, die dem gequälten Fahrgast sonst regelmäßig vor der Nase davonbraust… Doch das war einmal; davon sind wir mittlerweile weit entfernt. Zugegeben, die Linie 16 fährt dieser Tage ausnahmsweise doch zu mehr als 50 % pünktlich; das ist nachgerade sensationell. Doch die U 1 bleibt wie sonst im lebhaftesten Berufsverkehr konsequent aus dem Takt, warum auch immer. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal eine Bahn dieser Linie erwischt habe, die dann fuhr, wann sie sollte…

2.1.2019

2.1.2019

Essentieller Teil der Ausstellung der Werke von Cady Noland im Museum für moderne Kunst sind die Museumsangestellten. In jedem Raum sitzt ein oder eine „warden“, wie das auf amerikanisch heißt, und passt auf, dass die Besucher nicht womöglich ein Utensil aus einer Assemblage entwenden oder auch nur auf einer Gerüststange mal Ordnung machen. In ihren halblangen blauen Kitteln – amerikanischer als alle Utensilien, aus denen Cady Noland ihre Skulpturen assembliert hat – erinnern sie an Ticketverkäufer, Ladeninhaber, Börsenhändler oder eben Museumswärter, wie sie zwischen Boston und San Diego allerorten anzutreffen sind und wie man sie von Filmen oder Pressebildern kennt.

In der Tat, sie erst sorgen für authentische Atmosphäre: Sie machen auf sich aufmerksam, beobachten, postieren sich immer neu, gehen im Raum auf und ab, achten vor allem aber darauf, dass jeder Besucher sie wahrnimmt. Zu dem Eindruck latenter Gewalttätigkeit, die die Werke von Cady Noland ausstrahlen, kommt so eine weitere Dimension hinzu: Der Ausstellungsbesucher fühlt sich permanent beobachtet, auf Schritt und Tritt überwacht, ohne dass es ein Entrinnen gibt. Ob bewusst so gestaltet oder reiner Zufall –  die Ausstellung erscheint als Beklemmung erzeugendes Gesamtkunstwerk, als Erlebnis im wahren Wortsinn; so fühlt sich offenbar nicht nur die Künstlerin in den USA. Als ich das Museum verlasse, ist mir flau im Magen.

1.1.2019

1.1.2019

Um die Kleingärten ist es auch nicht mehr gut bestellt. Man muss sich Sorgen machen. Selbst im „Kleingartenverein e. V. Bubenloch“ ist es mittlerweile offenkundig zulässig, jeden Quadratzentimeter mit Produkten aus Super-, Bau- und Gartenmärkten zuzuknallen. Die Kassen dort klingeln, man müsste es permanent überall hören können… und die eigentlich unverwüstlichen Ringelblumen und Phacelia haben nun selbst im Schrebergarten Mühe, sich gegen Kunststoff zu behaupten.

Jedes Kind braucht ja auch ein Trampolin (von der Größe eines Vogelkäfigs, sonst passte es nicht in den Garten) oder eine eigene Rutsche, egal, ob 100 m weiter ein großer öffentlicher Spielplatz ist oder nicht. Dumm nur, dass die Rutsche maximal so hoch wie das Kind ist, sodass sich nur Katzen oder Hunde drüber freuen können. Aber wunderschön bemalt in angesagten Plastikfarben, sicher passend zum inzwischen üblichen Outfit der Hüter des Gartens, wenn sie zum allwöchentlichen Grillfest (der Trend zum Zweitgrill ist übrigens ungebrochen) zusammenkommen. Aber nur im Sommer; den Rest des Jahres über verrottet all das schöne Zeug unbenutzt im Garten. Ach ja – früher war ein Garten noch ein Garten. „Gärtnern“ kommt ja von „Garten“; doch wer gärtnert noch in den vermüllten Parzellen?

31.12.2018

31.12.2018

Letzter Tag in der italienischen Bäckerei in Heddernheim. Das Gebäude wechselt für 1,4 Mio Euro den Besitzer; so einen Betrag kann ein Bäcker nicht stemmen, auch einer aus Sizilien nicht. Zumal ihm auch noch die städtischen Gesundheitshüter in der letzten Zeit kontinuierlich den Hof machten und mit ihren übertriebenen, angesichts der absehbaren Entwicklung zudem komplett unsinnigen Auflagen zum Schutz des Lebens der Kunden offenkundig nur die örtliche – deutsche – Konkurrenz fördern wollten.

Noch ein letztes Mal kamen die Heddernheimer massenhaft, um sizilianische Pane, Panini und Konditorware zu erstehen, einige natürlich nicht ohne den obligaten Café zu sich zu nehmen. Ab morgen wird es dann außer der Aufback-Bäckerei nur noch die Kettenfiliale geben, die diese Bezeichnung indes nicht wegen der Kette der Käufer verdient, die – in Verkennung der geschmacklichen Gegebenheiten – schon immer, wenngleich aus unerfindlichen Motiven dort anstanden. Vielleicht mag der Heddernheimer keine Morgenspaziergänge?