18.5.2020
Die Schreibpause war gekennzeichnet vom gespannten Warten auf die erhofften Ankündigungen von Lockerungen des allgemeinen Lockdowns. Das öffentliche Leben war ja zwischenzeitlich fast zum Erliegen gekommen. Allerdings – ich habe die damit einhergehende Ruhe und Entschleunigung genossen. Selten war es so entspannend, mit dem Rad zur Arbeit zu fahren (ja, ich bin eben nicht nur im Home-Office): fast kein Autoverkehr. Das einzige, was in den Weg kam, waren die Kinder im Säuglingsalter, deren eifrig-ehrgeizige (und natürlich auch an sich selbst denkende) Eltern meinten, Fahrradfahren sei schon was für Zweijährige. Wenn ich da nicht höllisch achtgab, hätte es Kollisionen gegeben.
Heute verstieg sich jedoch die FAZ angesichts der ersten Restaurantbesuche vieler Menschen am Wochenende nach Wochen der erzwungenen Enthaltsamkeit – bei herrlichem Wetter – und der damit einhergehenden augenscheinlichen Feier-Stimmung gar zu der Einschätzung, Frankfurt atme so etwas wie „mediterranes Flair“. Nun, da haben wir sie wieder, die typisch Frankfurter Großmäuligkeit. Haben Sie schon mal zum Beispiel in der Adalbertstraße einen Kaffee getrunken? Das geht, immerhin; aber auch bei blauestem Himmel stellt sich da alles Mögliche ein, nur nicht mediterranes Flair, es sei denn, dieses sei vorrangig dadurch gekennzeichnet, dass die wenigsten der Passanten und Schlenderer über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen. Mit „Flair“ verbinde ich aber mehr. Gelassenheit, Muße, Schönheit des öffentlichen Raums – das gehört mindestens dazu. Na dann schauen Sie sich mal die Frankfurter Straßen an… Mediterran mögen die „Diagonal“ in Barcelona oder selbst noch der Boulevard Haussmann in Paris sein; der alte Hafen in Marseille oder die Promenade von Sitges sind es allemal – aber die Adalbertstraße, die Zeil, selbst die Schweizer Straße?? Das einzig Mediterrane ist dort derzeit lediglich das schöne Wetter. Der Rest atmet urdeutsche Alltagsmentalität, die niemandem das Herz aufgehen lässt.