Das Maß der Dinge

Das Maß der Dinge

Einen Vorgeschmack darauf, wie die innerparteiliche Debatte über die Koalitionsvereinbarung in der SPD geführt werden und mit welcher Qualität von Argumenten zu rechnen sein wird, vermittelte schon die heutige Zeitungslektüre. Über die Erörterungen in der parteiinternen Arbeitsgruppe Migration und Vielfalt und ihre öffentliche Stellungnahme wird berichtet, sie empfehle den Mitgliedern der Partei die Ablehnung der Vereinbarung. Zwar sei Schlimmstes verhindert worden; dennoch sei keine klare Linie in der Migrationspolitik zu erkennen, in der die SPD sich wiederfinden könne.

Es mag natürlich der genannten Arbeitsgruppe unbenommen bleiben, ihre Ansicht zum Ergebnis der Koalitionsverhandlungen kundzutun. Dass aber eine nicht optimale Umsetzung migrationspolitischer Wunschvorstellungen – wohlgemerkt: nur dieses erlauchten Kreises – gleich zu der Empfehlung führen muss, die Koalitionsvereinbarung in Bausch und Bogen abzulehnen, ist nicht unbedingt einzusehen. Auch hier zeigt sich, dass den politischen Debattanten der Blick für das Maß der Dinge verloren gegangen ist. Eigene (Klientel-)Vorstellungen werden derart verabsolutiert, dass allein der Grad ihrer Berücksichtigung über Wohl und Wehe des Gesamtpakets entscheiden soll, egal, was sonst noch in der Vereinbarung drinsteht. Eine Gesamtabwägung, die man ja wohl auch von einer fachlich begrenzt orientierten Arbeitsgruppe noch erwarten darf, vermisst man in der Stellungnahme ebenso wie die Berücksichtigung des Umstands, dass die Ziele der eigenen Partei deutlich über den Bereich der Migrationspolitik hinausgehen. Wer aus rein klientelbezogenen Erwägungen die Lunte an die Koalitionsvereinbarung legt, darf sich dann aber auch nicht wundern, wenn nach künftigen Wahlen auch die Genossen zur Gemeinschaft der schon aktuell wegen der Fünf-Prozent-Hürde Gestrauchelten hinzustoßen sollten.


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