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Schlagwort: Atmosphäre

22.2.2019

22.2.2019

Die „Blaue Stunde“ ist vorwiegend dem späten Herbst und auch dem späten Winter vorbehalten, mit Übergriffen bis in den Vorfrühling. Jene Stunde, in denen selbst eine Stadt wie Frankfurt als mystisch und geheimnisvoll erscheinen kann. Jedenfalls entsteht in den Minuten, in denen sich bei wolkenlosem oder nur spärlich bedecktem Himmel das – mehr oder minder – helle Licht des Nachmittags in das pastöse Leuchten der Dämmerung verwandelt, eine besondere, anheimelnde Atmosphäre. In der Stadt selbst erlebte ich das zuletzt vor einer Woche am Willy-Brandt-Platz: Die strahlend violette Beleuchtung durch die niedergehende Sonne tauchte die Hochhäuser rund um den Anlagenring in einen majestätischen Schimmer, den die glänzenden Fassaden wieder zurückwarfen, und in solchen Momenten ist es pure Nebensache, dass neben den Anlagen der abendliche Berufsverkehr die Straßen zu einem unsicheren, unwirtlichen Ort macht.

Heute genoss ich dasselbe Schauspiel in Heddernheim. In diesem Licht wirkt der ohnehin schon ruhige Stadtteil wie eine Oase der Entspannung, vor allem, wenn es nahezu windstill ist. Der sich in aller Seelenruhe stetig verdunkelnde Himmel spiegelt optisch die Stille, die zu dieser Stunde dann einkehrt, wenn nicht gerade ein Güterzug über die Gleise der Main-Weser-Bahn rauscht. Doch selbst diese Geräusche erwecken zu dieser besonderen Tageszeit nicht Unmut, sondern Fernweh. Und während langsam das purpurne Leuchten der Dunkelheit weicht, wandelt sich im Innern die Anspannung der vergangenen Woche in ruhige Freude auf das nun beginnende Wochenende. Zum Glück diesmal ohne Stadion!

7.2.2019

7.2.2019

Normalerweise gibt’s hier ja keine Fortsetzungsromane. Doch heute schließe ich mal an meine gestrigen Bemerkungen an. Wer einmal in Portugal seinen Urlaub verbracht hat, wird es schnell spüren: Die Atmosphäre im Avereinse, dem portugiesischen Laden, der eigentlich in Offenbach beheimatet ist, vor einigen Jahren aber in wesentlich größeren Geschäftsräumen hier in Heddernheim eine Filiale eröffnete, ist einfach nur authentisch. Schon das gesamte Ambiente lässt keinen Zweifel aufkommen, dass man hier nicht im neuerdings immer mehr auf Hip gestylten Rewe oder gar einem Bio-Markt einkauft. Gemüse und Obst liegen halt einfach so im Regal; original portugiesische Fischdosen mit Lulas, Sardinas und Pulpo, wie ich sie erstmals im Mercado in Vilamoura sah, liegen auf- und nebeneinandergestapelt und natürlich fehlt auch eine exzessive Weintheke nicht, selbstverständlich mit einem Angebot ausschließlich portugiesischer Provenienz.

Die Herzen des Portugal-Fans höher schlagen lässt aber vor allem die angeschlossene Cafeteria. Der Espresso ist dort zwar doppelt so teuer wie in südlichen Gefilden, aber immer noch unschlagbar günstig – schmeckt aber dennoch wie eben eine Bica schmecken muss. Klar, dass auch hier eher rustikaler Stil gepflegt wird; die schweren Metall-/Holz-Stühle schrammen auf den Keramikfliesen mit schrillen Tönen, wenn man sich setzt, und Selbstbedienung ist angesagt. Doch das Portugiesische daran ist: Der Kaffee krönt den Einkauf, nachmittags dann noch zusammen mit einem selbstgebackenen Rührkuchen genossen, bei dem jede traditionelle deutsche Hausbäckerin (oder -bäcker) nur neidisch werden kann. Wirklich jeder Kunde geht zum Abschluss dahin, nippt an der Tasse, isst den Kuchen (mit Messer und Gabel) und plaudert mit den Menschen hinter der Theke oder am Nachbartisch. Wundert’s, dass die Einkaufszeit etwas länger dauert als bei den gestresst-hektischen Mitteleuopäern? Und auch wenn man an der Kasse mal etwas geduldig sein muss – mir genügt es, die zischenden Laute zu hören, die die Landessprache auszeichnen; dann fühle ich mich tatsächlich wie an einem anderen Ort. Zu welchem Strand wollen wir denn gleich gehen, Martinhal oder Béliche?

18.1.2019

18.1.2019

Auf dem Weg vom Nordwestzentrum zur Apotheke in der Römerstadt – es ist schon dunkel – tönt auf einmal volles Glockengeläut aus dem Turm von St. Sebastian. Ich höre das ja sonst allenfalls von fern, und meistens sind es die Heddernheimer Kirchen, die mir dem Sonntagmorgen durch ihre Glocken eine weihevolle, ich finde: geheimnisvolle und andächtige Stimmung verleihen.

Die sonst so profan und nüchtern anmutende Nordweststadt – sie erhält von einer Sekunde auf die andere so etwas wie Heiligkeit und Urbanität. Von allen Seiten strömen tatsächlich… na ja, ich will’s nicht übertreiben – von allen Seiten kommen Passanten, eindeutig auf dem Weg zum Gottesdienst. Wie ich einem Anschlag an der Tür entnehme, wird heute eine besondere Messe zum Patrozinium gefeiert. Wie bitte? Dieses Wort hatte ich bislang noch nicht vernommen; es meint die Schutzherrschaft des Kirchenpatrons, und der Feiertag des Heiligen Sebastian ist dann wohl heute, oder? (Damit oute ich mich definitiv als Ungläubigen…) Aber dies alles gibt mir Anlass, mal ins Innere der Kirche zu schauen, und tatsächlich – selbst in einem modernen Gemäuer kann so etwas wie mystische Atmosphäre leuchten! Das spärliche Licht, die hellen Bruchsteinwände, die abgesetzten Glasquader, das Holz und der nackte Beton – alles zusammen ein geheimnisvoll anmutendes, warmes Stimmungsbild, und das in einer Trabantenstadt!

9.1.2019

9.1.2019

Kaffeehaus-Atmosphäre – ein „Kleiner Brauner“, eine Melange oder gar ein „Einspänner“ – wem der Sinn nicht nur nach Kaffeegenuss, sondern auch der dazu einfach notwendig gehörenden Stimmung steht, der denkt unweigerlich an Wien. Das Wiener Kaffeehaus und seine nörgelnden Ober sind Institutionen, derentwegen Millionen von Touristen die Stadt besucht haben und auch weiterhin besuchen werden, mag auch dort das Kaffeehaus alter Tradition längst nicht mehr in so großer Zahl wie früher anzutreffen sein.

Mit Frankfurt verbindet man das nicht, ungeachtet der geradezu atemberaubend gewachsenen Zahl neuartiger Coffeeshops oder Espresso-Bars. Allein die Adalbertstraße in Bockenheim bietet auf ihren knapp 500 m Länge deren 4, das „Crumble“ und das „Albatros“ um die Ecke nicht mitgezählt; dazu zwei Bäckereien mit Kaffee-Anschluss und einige Pizzerien, die natürlich auch Espresso im Angebot haben. Die Kaffee-Auswahl lässt keine Wünsche mehr offen – aber Atmosphäre? Zum Entspannen wie im Wiener Kaffeehaus sind alle diese Etablissements der falsche Ort, auch das Crumble, das mittlerweile scharenweise die jungen Mütter mit ihren schreienden Säuglingen angelockt hat, die früher im Albatros dem Stillen nachgingen. Überall nüchtern-sachliche Einrichtung, spröde Geschäftigkeit (teils mit Selbstbedienung), erheblicher Lärmpegel und weitgehend ein Publikum, neben dem zu sitzen jedenfalls mir keinen Spaß macht. Etwa jeder zweite sitzt vor einem aufgeklappten Laptop und schlürft kaltgewordene Latte. Und mehr als 2 Euro für einen Espresso zu zahlen – das ließe sich kein Italiener im Heimatland bieten…