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Schlagwort: Bockenheim

20.1.2020

20.1.2020

Spätestens der heutige Gang durch Sachsenhausen anläßlich eines Arztbesuchs hat gezeigt: Frankfurt als Ganzes ist doch nicht so unwirtlich. Im Vorgriff auf eine wegen einer der mittlerweile üblich gewordenen Betriebsstörungen zu erwartende Verzögerung im U-Bahn-Tunnel entfloh ich der Bahn schon am Willy Brandt-Platz und legte den Rest des Wegs bis zum Südbahnhof zu Fuß zurück, bei herrlichem Sonnenschein. Obwohl die Schweizer Straße sehr belebt war – kein Vergleich zu der Enge und Hektik, die die Leipziger Straße so unwirtlich macht!

Und spätestens abseits des Schweizer Platzes kehrten auf den Straßen, gesäumt von herrlichen Gründerzeithäusern, eine besinnliche Stimmung und die Ruhe ein, die ich in Bockenheim vermisse und auch nie finden werde. Die ganze Umgebung wirkt auch nicht so schrecklich verranzt, verwahrlost, verkommen wie die Straßen und Gassen im Westen der Stadt. Vorgärten, in denen Vögel zirpen; beschauliche Gemächlichkeit auf den Gehwegen. Und gleichwohl dicht erschlossen und „mittendrin“. Auch in dem zufällig entdeckten Café, in dem ich das Mittagessen einnahm, Ruhe und Gelassenheit, obwohl gut besetzt; stilvolle Möblierung und aufmerksam-zuverlässige Bedienung. Ich nähme den doppelt so weiten Weg zur Arbeit gern in Kauf…

4.11.2019

4.11.2019

Die Woche beginnt – wenn es eine Arbeitswoche ist – mit einer Fahrradfahrt ins Büro, und die führt durch die engen, an beiden Seiten dicht zugeparkten Sträßchen Bockenheims. Montags ist es auch für Fahrradfahrer immer ein zweifelhaftes Vergnügen, betreibt doch dann – vormittags – immer auch die städtische Müllabfuhr ihr Geschäft, und das bedeutet nicht nur, dass sich endlose Schlangen wartender Autos in den Straßen hinter dem Müllfahrzeug stauen, sondern auch Fahrradfahrer eine Zwangspause einlegen müssen, kommen sie doch an den Fahrzeugen und der Ursache des Staus nicht vorbei – es sei denn, das Fahrrad würde auf dem Gehweg geschoben. Doch so sehr ich mein Fahrrad liebe – dazu habe ich überhaupt keine Lust, und so suche ich mir dann schon vorsorglich einen Ausweg, leider oft nur in Gestalt eines Umwegs.

Da werden dann immer Sehnsüchte ins gelobte Land wach, das in diesem Fall – man mag es kaum glauben – Italien heißt! Denn dort gibt es, wie ich schon 1983 feststellen konnte, die jeweils auf Verkehrsschildern angekündigte „Pulizia notturno“, und das hat nix mit Polizei zu tun, sondern bedeutet nur, dass die Straßen dort des Nachts gesäubert werden, was auch die Leerung der grauen Tonnen einschloss und jeweils die Anordnung eines entsprechenden Halt- und Parkverbots erforderte. Ich hielt das damals für sensationell, wenn auch klar war, dass es in Florenz – wo das Ganze stattfand – anders sowieso nicht ging, da die Straßen und Gassen dort noch enger und voller mit Blech waren als in Bockenheim. Nachts arbeiten – eine nachgerade ebenso revolutionäre wie sinnvolle Lösung! Und das in Italien, wo den Italienern doch landläufig eher nicht akribischer Arbeitsfleiß nachgesagt wird, was sich in meiner Einschätzung spätestens seit damals als üble Unterstellung erwies. Offenkundig in Deutschland eine nicht denkbare Lösung, obwohl ihre Realisierung nur positive Auswirkungen für alle hätte. Also – da müssen die alten Vorurteile doch gehörig überdacht werden. Effizienz und Sinnhaftigkeit – in Deutschland eher Fehlanzeige!

22.8.2019

22.8.2019

Ich erinnere mich noch, wie ich zu Beginn des Jahrtausends in der Mittagspause durch den „Labsaal“ schlenderte, die ehemalige Mensa, in der ich früher unzählige Fertigessen verspeiste, und mir die damals dort ausgestellten Ergebnisse des Architektenwettbewerbs zur Gestaltung der neuen Universität rund um den Poelzig-Bau im Westend ansah. Das waren tolle Ideen, die die Architekten da zu Papier und auf Folie gebracht hatten; doch ich befürchtete eingedenk der Erfahrungen, die ich zuvor in Frankfurt machen musste, es werde mir nicht vergönnt sein, die Realisierung dieser Ideen auch noch leibhaftig erleben zu können. Wie man heute weiß, eine übereilte Fehleinschätzung – in Rekordzeit stellte das Land (in planungs- und baurechtlicher Hinsicht gemeinsam mit der Stadt) die Gebäude fertig, Frankfurt hat tasächlich einen „Campus“, und was für einen, sodass ich zuweilen den Wunsch verspüre, noch einmal das Studentenleben in Frankfurt genießen zu können – wahrlich großzügiger und jedenfalls anders als ehedem auf dem Bockenheimer Campus!

Jener alte Campus soll ja ein „Kulturcampus“ werden, und da zeigt sich dann doch wieder das Frankfurter Elend. Der Abriss des Juridicums wurde ja schon vor Jahren angekündigt; allein, es folgen keinerlei Taten. Der Unterschied könnte nicht krasser sein: Im südlichen Teil des Geländes, wo der schreckliche Pädagogen-Turm weggesprengt wurde, ziehen die dortigen Bauherren in Windeseile ihr Hochhaus mit Büros, Hotel und megateurem Wohnraum hoch; weiter nördlich dauerten schon die nötigen Renovierungsarbeiten an den historischen Gebäuden Jahre, und sonst passiert gar nichts. Hochtrabenden Plänen und Worten folgt mal wieder – nichts. Da zeigt sie sich wieder, die Frankfurter Behäbigkeit, die die öffentliche Bautätigkeit auszeichnet. Nun, wenigstens insofern werde ich mit meiner Befürchtung also Recht behalten…

12.7.2019

12.7.2019

Eine liebenswerte Institution – jedenfalls für Fischesser – in der mittleren Leipziger Straße in Bockenheim ist Baders Fisch-Deli, vormals einfach der Fisch-Bader. Während früher dort weitgehend nur der traditionelle deutsche Backfisch (nein, nicht als Synonym für eine junge Dame, wie das in den Fünfzigern hätte verstanden werden können, sondern die dick panierten gebratenen Teile ehemals lebendiger Seefische) verzehrt wurden, vor allem an Freitagen, da standen die Kunden bis draußen, wird heute, der Veränderung der Zusammensetzung der Frankfurter Bevölkerung entsprechend, zusätzlich auch alles, was die mediterrane Fischküche so hervorbringen kann, dem hungrigen Städter zur Labung angeboten. Glücklicherweise. Denn der deutsche Backfisch ist, obwohl Fisch, alles andere als ketogen.

Es geht aber nicht nur ums Essen – dort zu sitzen verhilft fast zu Urlaubsgefühlen. Chef und Servicekräfte pflegen einen recht burschikosen, aber liebevollen Umgang miteinander; die Kunden werden alle geduzt und da sitzt wirklich ein repräsentativer Querschnitt des Frankfurter Publikums und lässt sich entweder die Matjes (die besten, die man in Frakfurt bekommen kann; das erspart den Weg nach Zandvoort) mit Zwiebeln und Kartoffeln, die frittierten Sardinen (die es sonst so nur in Portugal gibt) oder Calamares oder eben den französischen Fischtopf nach Herzenslust schmecken. Natürlich sitzen hier auch immer noch die Liebhaber des panierten Seelachs-Filets; warum auch nicht. Tuchfühlung ist auch nicht zu vermeiden, da es nur wenige Sitzgelegenheiten gibt; bei schönem Wetter werden die Stehtische vor dem Schaufenster gern angenommen. Lokalkolorit pur. Einmal in der Woche bin ich mindestens dort. Auch deswegen, weil es zum Abschluss gleich gegenüber italienischen Espresso gibt!

18.6.2019

18.6.2019

Manchmal überholt einen die Zeit. Die Dinge entwickeln sich weiter und verändern sich, und wenn man sich nicht beeilt, ist es womöglich zu spät, einen Gedanken niederzuschreiben, weil er die Realität nicht mehr trifft.

So geschah es von gestern auf heute. Beim Radeln im Niddapark war es einige Tage ein Lotteriespiel, ob der direkte Weg von Bockenheim nach Norden in den Park sich als frei erwies oder ob man den Umweg über den Ginnheimer Friedhof nehmen musste. Denn die Bauarbeiten an der Bahnstrecke hatten nun auch die Bockenheimer Bahn-Unterführung erfasst – die Durchfahrt war durch rot-weiße Absperrungen unmöglich gemacht worden, Hinweisschilder verwiesen die Radfahrer auf den Weg Richtung Ginnheim. Anstatt freilich den Umweg zu nehmen, hatten findige Spitzbuben einfach einen Teil der Absperrungen samt Verbotsschildern beiseitegeschoben und so einen schmalen Durchfahrtspalt geschaffen, den man nutzen konnte – wenn keine Bauarbeiten im Gange waren. Praktisch war das allerdings immer der Fall – an diesem Abschnitt ward schon seit längerem kein Bauarbeiter mehr gesichtet -, sodass die Frage aufkam, was die DB – oder wer auch immer – mit der offenkundig voreiligen, jedenfalls aber unnötigen Vollsperrung bezweckte. Und meine Gedankenspiele kreisten, jedesmal wenn ich dieser Schildbürger-Situation ansichtig wurde, um genau diese Frage und führten zu Phantastereien über diese fast schon gezielte Anleitung zum Regelbruch. Doch bevor ich meine Gedanken – wie beabsichtigt – heute hier vollumfänglich offenbaren konnte, nahmen die Verantwortlichen ihnen die Grundlage: Die Durchfahrt ist wieder offen; die Absperrungen stehen zwar noch bereit, sind aber deutlich zusammengeschoben, auf einer Seite gar auf die Wiese gelegt, die Schilder, augenscheinlich von dazu berechtigter Stelle, außer Kraft gesetzt worden. Da zeigt sie sich dann doch einmal wieder, die normative Kraft des Faktischen… oder wurde hier nur das Nachdenken nachgeholt?

3.5.2019

3.5.2019

Heute begegnete mir im Niddapark auf dem Weg zur Arbeit der erste Radfahrer mit Handy am Ohr. Also doch nicht nur die Radfahrerinnen. Im Unterschied zu der Situation von neulich befand er sich allerdings auf einem geraden Weg, eine Kurve oder gar Unterführung drohte nicht, und man konnte ihn – und er die Umgebung – gut sehen. Trotzdem.

In Bockenheim herrschte dann auf der Kreuzung Landgrafenstraße/ Leipziger Straße das pure Chaos. Stillstand. Mitten auf der Kreuzung ein Auto; von links ebenso, beide wussten nicht, wer jetzt fahren darf. Radfahrer dazwischen, die abwarten mussten, wer sich in Bewegung setzt, um nicht unter die Reifen zu kommen. Und an jeder Straßenseite Fußgänger, die die Straßen überqueren wollten, sich aber nicht trauten. Ursache des Dilemmas war ein PKW in der Landgrafenstraße, der direkt vor der Kreuzung verbotswidrig in der zweiten Reihe stand, natürlich mit Warnblinkerei, weil die Leute dann denken, dann sei es erlaubt, so zu parken. Er blockierte naturgemäß die Fahrspur, und es herrschte halt reger Verkehr – die anderen Fahrzeuge wollten vorbeifahren und mussten sich eine Spur teilen, und für die Hälfte von ihnen war es die Gegenspur, wo sie ja auch nichts zu suchen hatten. Eine gut angezogene, aber dick geschminkte Frau mittleren Alters entstieg dem Mercedes. Auf meinen Zuruf, sie solle sich mal ansehen, was für ein Chaos ihretwegen entstanden sei, schnappte sie nur baff „Na und?“. Ja, das sagt alles. Es ist wurscht, was mein Verhalten bewirkt. Hauptsache, ich kann den Wagen bequem abstellen und tun und lassen, was mir einfällt. Rücksichtnahme oder Verantwortungsbewusstsein – Fehlanzeige. Hierzulande denken viele nur noch an sich.

1.2.2019

1.2.2019

Das Kaleidoskop zieht Zwischenbilanz – seit einem Monat ein Beitrag für jeden Tag. Da kommen schon manchmal Ermüdungserscheinungen auf oder ein Beitrag wird am anderen Tag nachgeholt, weil keine Zeit fürs Schreiben war. Aber bislang ist keine Lücke entstanden. Eine tägliche Begleitung und Fokussierung auf Momente.

Heute ist das Klima dran. Nicht das Weltklima, sondern das Frankfurter Wetter. Genauer genommen die Erkenntnis, dass es das Frankfurter Wetter nicht gibt. Ich lebe in einer Großstadt, und das merke ich auch daran, dass ich mich bei grauestem Himmel und ein paar Tropfen von oben von der Arbeit auf den Weg nach Hause mache, sich während der Fahrt indes nicht nur meine Stimmung, sondern vor allem auch der Himmel aufhellt und es scheint, als grüßte der Frühling. Denn bläulich lächelt die Sonne durch den noch verbliebenen, hauchdünnen Wolkenschleier über dem Nordwestzentrum und verbreitet pastöses Licht, während am Horizont nicht nur der Feldberg, sondern sogar blauer Himmel das Panorama einrahmen. Ja, wenn es in Bockenheim gewittert und Sturzbäche vom Himmel runterkommen, kann in Heddernheim die Sonne strahlen. Wie oft bin ich schon auf dem Heimweg mit dem Rad nach Ginnheim zur Schutz verheißenden U-Bahn gehetzt, nur um unterwegs eines Besseren belehrt zu werden, sodass ich die Fahrt auf dem Rad fortsetzen konnte, ohne auch nur einen Tropfen abzubekommen. Also: es gibt kein Frankfurter Wetter, sondern nur Mikroklima, und das an jedem Ort speziell!

19.1.2019

19.1.2019

Nichts ist so beständig wie der Wandel, hat mal jemand gesagt, ich weiß nicht wer; oder ist es ein allgemeiner Sinnspruch? Wie dem auch sei – es stimmt. Das wird manchmal erst deutlich, wenn man plötzlich wahrnimmt, dass schon lange alles irgendwie anders war als vorher, ohne dass man so richtig Notiz davon genommen hätte.

In der Pizzeria saßen jedenfalls drei Mitarbeiter der Informatik der Universität, die mir früher dort regelmäßig beim Verspeisen meiner Pizza Rucola Gesellschaft leisteten. Zuweilen schwatzten wir miteinander, wenn sie nicht gerade – wie ziemlich oft – Fachliches zu besprechen hatten. Ich weiß, dass dieser Teil der Uni lange auf dem Campus in Bockenheim verblieben war. Aber gesehen haben wir uns schon lange nicht mehr, und möglicherweise sind auch sie zuguterletzt ins Westend übergesiedelt. So rechte Wiedersehensfreude kam freilich nicht auf. Ja, auch die vielen jungen Menschen asiatischer Herkunft, immer fröhlich lächelnd und auf keinen Fall das selbstgemachte Tiramisu auslassend, erscheinen schon lange nicht mehr hier in der Mittagspause. Ob sie etwa jetzt nebenan beim Koreaner oder drei Häuser weiter beim Sushi-Laden einkehren? Und nicht zu vergessen: Die Pizza backt nun auch ein anderer…

9.1.2019

9.1.2019

Kaffeehaus-Atmosphäre – ein „Kleiner Brauner“, eine Melange oder gar ein „Einspänner“ – wem der Sinn nicht nur nach Kaffeegenuss, sondern auch der dazu einfach notwendig gehörenden Stimmung steht, der denkt unweigerlich an Wien. Das Wiener Kaffeehaus und seine nörgelnden Ober sind Institutionen, derentwegen Millionen von Touristen die Stadt besucht haben und auch weiterhin besuchen werden, mag auch dort das Kaffeehaus alter Tradition längst nicht mehr in so großer Zahl wie früher anzutreffen sein.

Mit Frankfurt verbindet man das nicht, ungeachtet der geradezu atemberaubend gewachsenen Zahl neuartiger Coffeeshops oder Espresso-Bars. Allein die Adalbertstraße in Bockenheim bietet auf ihren knapp 500 m Länge deren 4, das „Crumble“ und das „Albatros“ um die Ecke nicht mitgezählt; dazu zwei Bäckereien mit Kaffee-Anschluss und einige Pizzerien, die natürlich auch Espresso im Angebot haben. Die Kaffee-Auswahl lässt keine Wünsche mehr offen – aber Atmosphäre? Zum Entspannen wie im Wiener Kaffeehaus sind alle diese Etablissements der falsche Ort, auch das Crumble, das mittlerweile scharenweise die jungen Mütter mit ihren schreienden Säuglingen angelockt hat, die früher im Albatros dem Stillen nachgingen. Überall nüchtern-sachliche Einrichtung, spröde Geschäftigkeit (teils mit Selbstbedienung), erheblicher Lärmpegel und weitgehend ein Publikum, neben dem zu sitzen jedenfalls mir keinen Spaß macht. Etwa jeder zweite sitzt vor einem aufgeklappten Laptop und schlürft kaltgewordene Latte. Und mehr als 2 Euro für einen Espresso zu zahlen – das ließe sich kein Italiener im Heimatland bieten…