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Schlagwort: Demokratie

Demokratie, zu Tode geritten…

Demokratie, zu Tode geritten…

Im Namen der dadurch vorgeblich besser zu verwirklichenden Demokratie haben sich Organisationen und Verfahrensabläufe in jüngerer Zeit drastisch verändert. Ein vergleichsweise „alter Hut“ sind insoweit insbesondere die Planungsverfahren, bei denen – mittlerweile auch nicht mehr nur beschränkt auf Großprojekte – gerade die immer mehr ausufernden Beteiligungserfordernisse dazu führen, dass wichtige (vor allem Infrastruktur-)Vorhaben nicht mehr im Lauf einer Generation verwirklicht werden können. Wenn heute zum Beispiel die Bahn einen Tunnel unter Frankfurt plant, werde ich nicht davon ausgehen können, da selbst einmal durchzufahren.

Aus neuerer Zeit stammen hingegen Erfindungen, die vor allem darauf angelegt sind, durch zusätzliche Beteiligungsschritte Verantwortung dahin zu verschieben, wo sie nicht hingehört, um die eigentlichen Verantwortungsträger von jeglicher Verantwortung zu befreien. Warum eigentlich soll es, um im Bundestag eine Koalition mit einer anderen Partei zur Bildung einer handlungsfähigen Regierung einzugehen, einer Billigung durch alle Mitglieder einer beteiligten Partei im Rahmen einer gesonderten Mitgliederbefragung bedürfen? Wozu wählen diese denn in langwierigen, regional auch noch gestuften Verfahren und in durchaus demokratischem Prozedere Verantwortungsträger in Gestalt von Vorständen, die auf diese Weise genuin demokratisch legitimiert sind, Entscheidungen zu treffen, mit denen diese Partei nach außen tritt? Unabhängig davon stößt dies auch aus grundlegenden normativen Überlegungen auf: Warum sollen die von niemandem demokratisch, sondern lediglich durch Zahlung eines Mitgliedsbeitrags dazu legitimierten Parteimitglieder entscheidenden Einfluss darauf nehmen können, wie die von der Wählerschaft im Rahmen der Bundestagswahl legitimierten Abgeordneten ihr Mandat wahrnehmen? Mehr Anmaßung geht nicht, und das nur, weil augenscheinlich die eigentlich Verantwortlichen die wirkliche Übernahme von Verantwortung scheuen. Kuschen wird offensichtlich als bequemer angesehen als die Last einer Entscheidung mit allen Konsequenzen zu tragen. Nicht nur der demokratische innerparteiliche Akt, der dieser Verantwortung Rechnung trägt – die Wahl und die mögliche Abwahl oder Nicht-Wieder-Wahl von Vorständen – wird so entwertet; solche überflüssigen Geplänkel tragen vielmehr auch zur Lähmung unserer Verfassungsorgane, vor allem des Bundestags, bei – zum Schaden aller.

Wunsch und Wirklichkeit

Wunsch und Wirklichkeit

Ein zaghaftes Rauschen war an Tag 1 nach der Bundestagswahl im Blätterwald zu vernehmen – ob sich der noch einige Wochen amtierende Bundestag womöglich doch noch zu einem letzten Kraftakt werde aufraffen können, um eine gesetzliche Regelung zur Sicherstellung von Deutschlands Verteidigungsfähigkeit zu beschließen? Angeblich erwogen insbesondere Vertreter der Unionsparteien eine entsprechende Initiative und seien zu konstruktiven Gesprächen mit den anderen Fraktionen bereit. Man mochte sich verdutzt die Augen reiben angesichts der Inflexibilität aller Fraktionen vor der Wahl; doch dies hätte es in sich: Dem Bundestag auf seine alten Tage echtes politisches Leben einzuhauchen und mit taktischem Geschick die Weichen dafür zu stellen, dass den allemal notwendigen verteidigungspolitischen Maßnahmen künftig nicht die Sperr-Minderheiten im neuen Bundestag entgegenstehen, wäre nichts weniger als die lange vermisste Botschaft an die Menschen in Deutschland: Wir haben verstanden! Wir kümmern uns um Eure Interessen, um Deutschland, und dazu gehört derzeit angesichts der Umstände in der Welt nun einmal zuallererst die Gewährleistung der äußeren Sicherheit. Und im Interesse der Sache halten wir nicht mehr an fraktionsbezogenen Egoismen und rein emotionsgelenkter Politik fest, sondern versuchen uns gemeinsam auf ein Minimum dessen zu einigen, was sachlich geboten erscheint und von der Mehrheit der Abgeordneten einvernehmlich getragen werden kann. Das wäre ein Signal – und der erste Schritt, den Populisten das Wasser abzugraben.

In der Realität wird all dies wohl nur ein Traum bleiben. Ob in der CDU/CSU-Fraktion tatsächlich derartiges überlegt wird, wurde bisher nicht amtlich bestätigt. Die SPD nimmt Merz immer noch sein Vorgehen übel, sich von der AFD unterstützen zu lassen. Die Grünen, soweit sie sich dazu äußern, wollen trotzig nur ein Gesamtpaket beschließen, das auf eine umfassende Reform der Schuldenbremse hinausliefe und das schon zuvor eben gerade nicht mehrheitsfähig war. Das Festklammern in der Schmollecke oder an Wunschvorstellungen zeigt nur, dass diese Politiker das Besondere an der gegebenen Situation nicht begriffen haben: Wegen der Unmöglichkeit, zu einer Gesamtlösung in diesen komplexen Fragen zu kommen, scheiterte letztlich die vormalige Regierungskoalition. Und das soll jetzt, in den allerletzten Wochen der Amtszeit des Bundestags, dann doch wieder auf den Verhandlungstisch? Krasser kann man die Realität nicht verfehlen. So wird es vermutlich nicht gelingen können, in einer gerade jetzt zentralen, für die Zukunft der Bundesrepublik entscheidenden Problemlage pragmatisch zu einer Lösung zu kommen, die zugleich die Handlungsfähigkeit der parlamentarischen Demokratie aufs Trefflichste unter Beweis stellte.

2.11.2020

2.11.2020

Das war’s nun mit den Plänen, in Wiesbaden eine City-Bahn zu bauen. Bis nach Mainz und ins Taunus-Umland sollte sie reichen, Pendlerströme aufnehmen und einen Beitrag leisten, die qualvollen Zustände auf den Straßen der Landeshauptstadt zu beseitigen. Ich konnte es vor einer Woche hautnah erleben: Dichteste Enge in den Bussen (und das zu Corona-Zeiten, wahrlich unglaublich), obwohl im Vergleich zu Frankfurt ein durchaus dichter Abfahrtstakt gilt; dickster Abgas-Mief auf den Hauptverkehrsadern (und nicht nur da), und die Autofahrer kommen kaum voran. Wer das so weiterhaben will, kann nicht recht bei Trost sein. Und doch: Gestern haben über 60 % der an einem Bürger-Entscheid teilnehmenden Einwohner den Plänen eine Absage erteilt, eine moderne Schienenbahn zu bauen.

Sind wir wieder im 20. Jahrhundert angekommen? Gibt es keinen Klimawandel, keine Verkehrsprobleme? Soll immer und immer wieder die alte Litanei runtergebetet werden, dass alles dem privaten PKW unterzuordnen sei?! Von den politischen Parteien hat insbesondere die FDP sich die Ablehnung der City-Bahn aufs Panier geschrieben. Aber wie waren noch deren karge Wahlergebnisse?? Das kann dieses Abstimmungsergebnis nicht erklären. Da hat sich vermutlich eine merkwürdige Koalition von vornehmlich saturierten Bürgern weidlich ausgekotzt. Hier dürfte es nicht um Stadtbilderhaltung gegangen sein, sondern um Durchsetzung des immer noch beliebten Mottos: Freie Fahrt dem SUV! Platz da, hier kommen (nur) wir! Das Schlimmste daran ist: Die ach so volksfreundlich daherkommende Möglichkeit des Bürgerentscheids lockte sage und schreibe nur um die 46 % der abstimmungsberechtigten Bürger aus dem Hinterzimmer hervor. Zwei Drittel davon sind gerade mal 30 % aller Abstimmungsberechtigten. Ein Skandal – eine klare Minderheit verhindert den Bau eines zukunftsweisenden Projekts, nur weil der Rest zuhause bleibt! Wenn das Schule macht, geht die Demokratie wirklich zugrunde. – Was das alles im Frankfurter Kaleidoskop zu suchen hat? Nun, jetzt kann sich Herr Oesterling in den Ring werfen, um für Frankfurt die Millionen des Bundes und des Landes abzugreifen, die schon lange für die Wiesbadener gebucht waren. Angekündigt hat er es immerhin schon. Bargeld kann man immer brauchen! Möge das Geld Frankfurter Verkehrsprojekten dienlich sein; dann hätte diese Schande wenigstens einen positiven Effekt.