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Schlagwort: Espresso

3.11.2019

3.11.2019

Auch Frankfurt hat eine Szene. Ob das nun Hipster sind oder wie man sie sonst nennen soll, sei dahingestellt. Jedenfalls trifft sich die Szene, wie auch immer sie heißen mag, unter anderem an mehreren Wochenenden im Jahr in der Frankfurter Universität. Nicht zum Studieren oder zum Flanieren, obwohl der herrliche Campus dazu durchaus einlädt. Sie besuchen eine Verkaufsmesse. So hieß das früher. Heute heißt es Stijl_Markt. Man ist ja nicht in Hintertupfingen.

In deutscher Übersetzung: Stil-Markt, und so stellen – laut Plakat – junge Designer junge Design-Waren aus und bieten sie zum Verkauf an. Das ist es eben – es geht ums Verkaufen. Schon beim Hinaufsteigen aus dem U-Bahnhof begegnen dem neugierigen Besucher zahlreiche mittelalte Menschen beiderlei Geschlechts, fast durchweg mit kleinen Kindern und zuweilen einem Hund im Schlepptau, und immer bepackt mit Papiertüten, in denen offenkundig Designware von besagtem Markt drin ist. Eben, Verkaufsschau. Das ehemalige Offizierskasino, welches den Raum für diese Schau bietet, ist proppevoll, davor auch noch eine mittlere Schlange von Menschen, die noch Einlass begehren. Ja, wer kaufen will, muss erst mal zahlen – es werden 7,50 Euro Eintrittsgeld erhoben, damit man das junge Design besichtigen und womöglich bei Gefallen erwerben darf. Angesichts der Fülle in den Räumen verkneifen wir uns den Eintritt und das Besichtigen – ein flüchtiger Blick nach drinnen offenbart, dass das Gedränge ein richtiges Bestaunen gar nicht zulassen wird. Und kaufen wollen wir ohnehin nichts. Aber die Uni bietet ja noch mehr – statt Design anzugucken erholen wir uns lieber bei einem Espresso in der Cafeteria der beiden kirchlichen Studierenden(! – ja, politisch korrekt)wohnheime, früher ein Geheimtipp – doch Hoppenworth und Ploch servieren jetzt ja auch in der neuen Altstadt… Aber das zeigt: Junge Kaffeeröster können mindestens ebenso Erfolg haben wie junge Designer!

2.8.2019

2.8.2019

Beim morgendlichen Kaffee auf dem Außengelände des Brühmarkts in der Adalbertstraße sitzt heute ein junger Mann am Nebentisch; geschlossene Augen, kerzengerade Sitzhaltung, den Rücken fest an die Lehne und den Kopf an die große Schaufensterscheibe gelehnt, vollkommen in sich versunken. Seine Hände, auf dem Schoß vor dem Körper ineinander verschränkt, formen ein Mudra. Ganz klar: Er meditiert.

Mir ist das Meditieren nun auch sehr vertraut, und ich bewundere die absolut klare Präsenz, die die Körperhaltung dieses Mannes so eindeutig zum Ausdruck bringt. Auf die Idee, ausgerechnet an dieser Ecke im brüllenden Verkehrslärm und dem Gewusel der Passanten Meditation zu praktizieren, wäre ich aber selbst in 50 Jahren nicht gekommen. Zwar unterscheidet sich mein „Sitzen“ an dieser Stelle durchaus deutlich von dem der anderen Gäste – mir kommt es schon manchmal so vor, als trüge mein sinnentleertes Schauen, das Beobachten dessen, was um mich herum vor sich geht, das stille Verharren vor dem doppelten Espresso, verbunden mit dem sensorischen Genuss, den das dunkle Gebräu einschließlich der wunderbaren Crema vermittelt, Züge von kontemplativer Versenkung. Aber die Augen habe ich bislang noch nicht geschlossen; wer weiß, was dann geschähe… und erst recht kann ich mir nicht vorstellen, dort barfuß zu sitzen wie mein Nachbar, der sich seiner Schuhe und Socken entledigt hatte und dessen bloße Füße auf dem Pflaster ruhten. Er schien vollständig entrückt… bis mit einem Mal, ganz plötzlich, ein breites Lächeln über sein Gesicht huschte, er im gleichen Moment die Augen öffnete (oder war das einen Moment zuvor?) und freudestrahlend einen anderen jungen Mann begrüßte, der sich, bepackt mit zwei prall gefüllten Satteltaschen, seinem Tisch näherte. Also sowas… entweder war er hellsichtig oder mit der Meditation war es doch nicht so weit her! Oder befand er sich etwa in einer Sphäre, in der das Unsagbare gesagt und das Unsichtbare gesehen werden kann?

12.7.2019

12.7.2019

Eine liebenswerte Institution – jedenfalls für Fischesser – in der mittleren Leipziger Straße in Bockenheim ist Baders Fisch-Deli, vormals einfach der Fisch-Bader. Während früher dort weitgehend nur der traditionelle deutsche Backfisch (nein, nicht als Synonym für eine junge Dame, wie das in den Fünfzigern hätte verstanden werden können, sondern die dick panierten gebratenen Teile ehemals lebendiger Seefische) verzehrt wurden, vor allem an Freitagen, da standen die Kunden bis draußen, wird heute, der Veränderung der Zusammensetzung der Frankfurter Bevölkerung entsprechend, zusätzlich auch alles, was die mediterrane Fischküche so hervorbringen kann, dem hungrigen Städter zur Labung angeboten. Glücklicherweise. Denn der deutsche Backfisch ist, obwohl Fisch, alles andere als ketogen.

Es geht aber nicht nur ums Essen – dort zu sitzen verhilft fast zu Urlaubsgefühlen. Chef und Servicekräfte pflegen einen recht burschikosen, aber liebevollen Umgang miteinander; die Kunden werden alle geduzt und da sitzt wirklich ein repräsentativer Querschnitt des Frankfurter Publikums und lässt sich entweder die Matjes (die besten, die man in Frakfurt bekommen kann; das erspart den Weg nach Zandvoort) mit Zwiebeln und Kartoffeln, die frittierten Sardinen (die es sonst so nur in Portugal gibt) oder Calamares oder eben den französischen Fischtopf nach Herzenslust schmecken. Natürlich sitzen hier auch immer noch die Liebhaber des panierten Seelachs-Filets; warum auch nicht. Tuchfühlung ist auch nicht zu vermeiden, da es nur wenige Sitzgelegenheiten gibt; bei schönem Wetter werden die Stehtische vor dem Schaufenster gern angenommen. Lokalkolorit pur. Einmal in der Woche bin ich mindestens dort. Auch deswegen, weil es zum Abschluss gleich gegenüber italienischen Espresso gibt!

12.2.2019

12.2.2019

Bornheim ist zwar im Nordosten, aber dort gibt es den Süden. So nennt sich ein Café auf der oberen Berger Straße, in dem die heimische Szene frühstückt oder sich einfach nur was zu trinken gönnt. Das ist auch so wie ein wenig aus der Zeit gefallen… jedenfalls werden bei mir allein schon wegen der Deko Erinnerungen an die Hochzeit der Spontis wach, wenn ich mich dort einfinde, um mal außerhalb Bockenheims meinen Espresso zu schlürfen.

Aber auch hier sind wir in der Jetzt-Zeit, kostet der Kaffee eben einen aktuellen Preis und der Wein auch. Doch die Ruhe und das Ambiente lassen mich immer wieder gern einkehren und eine kurze Auszeit genießen. Die Berger Straße ist ja auch nicht gerade unbelebt – da mutet die Muße, die einem hier geboten wird, geradezu außergewöhnlich an. Kein Vergleich zu der umtriebigen (aber auch sehr zu empfehlenden) Wacker-Filiale am Uhrtürmchen oder dem daneben liegenden Croissant-Bisto, das den Franzosen nacheifern will. Da herrscht so reges Treiben, dass man Glück hat, überhaupt einen Platz zu bekommen. Und an Ruhe ist nicht zu denken. Aber hier wie dort – allein das Kaffee-Aroma macht süchtig…

7.2.2019

7.2.2019

Normalerweise gibt’s hier ja keine Fortsetzungsromane. Doch heute schließe ich mal an meine gestrigen Bemerkungen an. Wer einmal in Portugal seinen Urlaub verbracht hat, wird es schnell spüren: Die Atmosphäre im Avereinse, dem portugiesischen Laden, der eigentlich in Offenbach beheimatet ist, vor einigen Jahren aber in wesentlich größeren Geschäftsräumen hier in Heddernheim eine Filiale eröffnete, ist einfach nur authentisch. Schon das gesamte Ambiente lässt keinen Zweifel aufkommen, dass man hier nicht im neuerdings immer mehr auf Hip gestylten Rewe oder gar einem Bio-Markt einkauft. Gemüse und Obst liegen halt einfach so im Regal; original portugiesische Fischdosen mit Lulas, Sardinas und Pulpo, wie ich sie erstmals im Mercado in Vilamoura sah, liegen auf- und nebeneinandergestapelt und natürlich fehlt auch eine exzessive Weintheke nicht, selbstverständlich mit einem Angebot ausschließlich portugiesischer Provenienz.

Die Herzen des Portugal-Fans höher schlagen lässt aber vor allem die angeschlossene Cafeteria. Der Espresso ist dort zwar doppelt so teuer wie in südlichen Gefilden, aber immer noch unschlagbar günstig – schmeckt aber dennoch wie eben eine Bica schmecken muss. Klar, dass auch hier eher rustikaler Stil gepflegt wird; die schweren Metall-/Holz-Stühle schrammen auf den Keramikfliesen mit schrillen Tönen, wenn man sich setzt, und Selbstbedienung ist angesagt. Doch das Portugiesische daran ist: Der Kaffee krönt den Einkauf, nachmittags dann noch zusammen mit einem selbstgebackenen Rührkuchen genossen, bei dem jede traditionelle deutsche Hausbäckerin (oder -bäcker) nur neidisch werden kann. Wirklich jeder Kunde geht zum Abschluss dahin, nippt an der Tasse, isst den Kuchen (mit Messer und Gabel) und plaudert mit den Menschen hinter der Theke oder am Nachbartisch. Wundert’s, dass die Einkaufszeit etwas länger dauert als bei den gestresst-hektischen Mitteleuopäern? Und auch wenn man an der Kasse mal etwas geduldig sein muss – mir genügt es, die zischenden Laute zu hören, die die Landessprache auszeichnen; dann fühle ich mich tatsächlich wie an einem anderen Ort. Zu welchem Strand wollen wir denn gleich gehen, Martinhal oder Béliche?

26.1.2019

26.1.2019

Samstag. Man sollte meinen, alles ist etwas geruhsamer und das, was unter der Woche manchmal nicht so hinhaut, sollte reibungslos klappen. Doch der Bus fällt aus (was man an der Station ja nicht erfährt, sondern nur über die RMV-App – aber immerhin), so wie auch schon tags zuvor. Also schnell zur U-Bahnstation Römerstadt gelaufen, um die U 1 zu nutzen. Die sollte zwar laut elektronischer Zuginformationstafel (oder heißt das Fahrtzielanzeige?) nach weiteren 2 Minuten abfahren, aber selbst nach 4 Minuten ist sie noch nicht einmal an der Station angekommen. Wie das??? Ist doch nur 2 Stationen nach Beginn der Fahrt… oder hat sich der Fahrer an der Endstation noch kurz einen Kaffee geholt? (Alles schon dagewesen, selbst erlebt vor einigen Wochen; der Fahrplan war ihm wurscht.)

Da die Bahn wenigstens noch erschien, stand dem Besuch des Erzeugermarkts auf der Konstablerwache dann doch nichts mehr im Weg. Das ist ja neben der Kleinmarkthalle schon ein richtiges Kleinod in dieser Stadt, und dementsprechend gut besucht ist der Markt. Es muss eine Ewigkeit her sein, dass ich das letzte Mal dort war. Die meisten Stände sind zwar noch da, wo sie immer waren. Nur haben sich die Standbetreiber etwas verändert – mal sind die Haare ausgefallen oder jedenfalls grau geworden (im Vergleich zu meiner letzten Visite), mal steht nun der Sohn hinter der Theke und bietet Vaters Brot aus der Vogelsberger Backstube feil, wo man früher den Vater leibhaftig begrüßen konnte. Und am hinteren Eck Richtung Fahrgasse, da steht ja was ganz Neues! Oder? Beim zweiten Hinschauen erkenne ich die Verwandlung: Der Milchbauernhof aus der Wetterau hat seinen Verkaufswagen komplett umgerüstet; wo es früher Milch, Milch, Joghurt, Quark und alles andere gab, was Milch werden kann, erscheint jetzt nicht nur die Theke edel-distinguiert, sondern auch das Sortiment – Milch gibt’s am wenigsten, dafür steht mittig eine echte Espresso-Maschine, rechts gibt es Milchreis. ansonsten Eis und andere Delikatessen, die früher in der Wetterau nicht hergestellt wurden, alles vom Feinsten. Und die Kühe hat man, so scheint’s, in den Ruhestand geschickt, wenn sie nicht ein schlimmeres Schicksal ereilte. Ja, so geht man mit der Zeit, auch in der Wetterau. Der Markt muss konkurrenzfähig sein!

9.1.2019

9.1.2019

Kaffeehaus-Atmosphäre – ein „Kleiner Brauner“, eine Melange oder gar ein „Einspänner“ – wem der Sinn nicht nur nach Kaffeegenuss, sondern auch der dazu einfach notwendig gehörenden Stimmung steht, der denkt unweigerlich an Wien. Das Wiener Kaffeehaus und seine nörgelnden Ober sind Institutionen, derentwegen Millionen von Touristen die Stadt besucht haben und auch weiterhin besuchen werden, mag auch dort das Kaffeehaus alter Tradition längst nicht mehr in so großer Zahl wie früher anzutreffen sein.

Mit Frankfurt verbindet man das nicht, ungeachtet der geradezu atemberaubend gewachsenen Zahl neuartiger Coffeeshops oder Espresso-Bars. Allein die Adalbertstraße in Bockenheim bietet auf ihren knapp 500 m Länge deren 4, das „Crumble“ und das „Albatros“ um die Ecke nicht mitgezählt; dazu zwei Bäckereien mit Kaffee-Anschluss und einige Pizzerien, die natürlich auch Espresso im Angebot haben. Die Kaffee-Auswahl lässt keine Wünsche mehr offen – aber Atmosphäre? Zum Entspannen wie im Wiener Kaffeehaus sind alle diese Etablissements der falsche Ort, auch das Crumble, das mittlerweile scharenweise die jungen Mütter mit ihren schreienden Säuglingen angelockt hat, die früher im Albatros dem Stillen nachgingen. Überall nüchtern-sachliche Einrichtung, spröde Geschäftigkeit (teils mit Selbstbedienung), erheblicher Lärmpegel und weitgehend ein Publikum, neben dem zu sitzen jedenfalls mir keinen Spaß macht. Etwa jeder zweite sitzt vor einem aufgeklappten Laptop und schlürft kaltgewordene Latte. Und mehr als 2 Euro für einen Espresso zu zahlen – das ließe sich kein Italiener im Heimatland bieten…