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Schlagwort: Mitgliederbefragung

Zeit wird’s…

Zeit wird’s…

Noch einen Tag, dann sind wir schlauer. Und können absehen, ob es tatsächlich zu der geplanten Koalition im Bundestag kommen wird. Morgen wollen die Verantwortlichen der SPD endlich bekanntgeben, was die Mitglieder ihrer Partei von den umfangreichen Abmachungen halten, mit denen die neue Wahlperiode zusammen mit den Unionsparteien bestritten werden soll.

Ob sich irgendeiner der Strategen aus dem SPD-Vorstand überhaupt Gedanken hingegeben hat, was passieren soll, wenn das – als bindend deklarierte – Mitgliedervotum „Nein!“ lautet? Dann hätte eine verschwindende Minderheit der wahlberechtigten Bevölkerung entschieden, dass erst einmal wieder Ungewissheit herrscht über das weitere Schicksal dieser Republik. Sicher, man könnte neue Formen der Regierung ausprobieren, die in anderen Ländern – etwa Schweden – seit langem zum politischen Alltag gehören. Ob die Bundesrepublik mit ihrer festgefahrenen Tradition der krassen parteipolitischen Konfrontationen reif wäre für solche anspruchsvollen, auf Sachorientierung und Kompromissfähigkeit angelegten Formen politischen Handelns, müsste sich erst noch erweisen. Neuwahlen jedenfalls brächten in keinem Fall das, was sich womöglich manche der SPD-Kleingeister mit ihrem Nein erhoffen. Aber auch unabhängig davon – ob die politische Übereinkunft als gut oder schlecht anzusehen ist, kann doch nicht ernsthaft von dem Inhalt der Koalitionsvereinbarungen in nur einem Politikfeld abhängig gemacht werden! So ticken aber nach allen Verlautbarungen ihrer jeweiligen Protagonisten viele Gruppierungen in der 16 %-Partei, die augenscheinlich noch nicht zur Kenntnis genommen haben, dass politisches Handeln unter den gegebenen Umständen nicht daran gemessen werden darf, ob sich die reine Lehre in jedem Punkt der Vereinbarungen wiederfindet. Und vor allem verkennen sie den nicht ganz unwesentlichen Umstand, dass man weit entfernt davon ist, die Mehrheit der Wahlbevölkerung zu repräsentieren. Den einen geht es dabei vorrangig um ein Deutschland als offenes Ziel aller Flüchtenden; die anderen verwechseln Sozialpolitik mit der Präsentation möglichst vieler materieller Geschenke und wiederum andere sehen den Inbegriff sozialdemokratischer Politik in wirtschaftspolitischem Dirigismus, und all dies ohne Einbettung in ein Gesamtkonzept, wie es mit dieser Gesellschaft weitergehen soll. Da war man in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts schon mal weiter mit dem Programm eines demokratischen Sozialismus, auch wenn dieses Programm trotz mehrfacher Regierungsbeteiligung der SPD immer noch seiner Verwirklichung harrt, und sei es auch nur in Ansätzen. Es ist nicht ganz unerklärlich, dass es bei der Bundestagswahl nicht mehr als 16 % wurden… wann wird das endlich begriffen?

Demokratie, zu Tode geritten…

Demokratie, zu Tode geritten…

Im Namen der dadurch vorgeblich besser zu verwirklichenden Demokratie haben sich Organisationen und Verfahrensabläufe in jüngerer Zeit drastisch verändert. Ein vergleichsweise „alter Hut“ sind insoweit insbesondere die Planungsverfahren, bei denen – mittlerweile auch nicht mehr nur beschränkt auf Großprojekte – gerade die immer mehr ausufernden Beteiligungserfordernisse dazu führen, dass wichtige (vor allem Infrastruktur-)Vorhaben nicht mehr im Lauf einer Generation verwirklicht werden können. Wenn heute zum Beispiel die Bahn einen Tunnel unter Frankfurt plant, werde ich nicht davon ausgehen können, da selbst einmal durchzufahren.

Aus neuerer Zeit stammen hingegen Erfindungen, die vor allem darauf angelegt sind, durch zusätzliche Beteiligungsschritte Verantwortung dahin zu verschieben, wo sie nicht hingehört, um die eigentlichen Verantwortungsträger von jeglicher Verantwortung zu befreien. Warum eigentlich soll es, um im Bundestag eine Koalition mit einer anderen Partei zur Bildung einer handlungsfähigen Regierung einzugehen, einer Billigung durch alle Mitglieder einer beteiligten Partei im Rahmen einer gesonderten Mitgliederbefragung bedürfen? Wozu wählen diese denn in langwierigen, regional auch noch gestuften Verfahren und in durchaus demokratischem Prozedere Verantwortungsträger in Gestalt von Vorständen, die auf diese Weise genuin demokratisch legitimiert sind, Entscheidungen zu treffen, mit denen diese Partei nach außen tritt? Unabhängig davon stößt dies auch aus grundlegenden normativen Überlegungen auf: Warum sollen die von niemandem demokratisch, sondern lediglich durch Zahlung eines Mitgliedsbeitrags dazu legitimierten Parteimitglieder entscheidenden Einfluss darauf nehmen können, wie die von der Wählerschaft im Rahmen der Bundestagswahl legitimierten Abgeordneten ihr Mandat wahrnehmen? Mehr Anmaßung geht nicht, und das nur, weil augenscheinlich die eigentlich Verantwortlichen die wirkliche Übernahme von Verantwortung scheuen. Kuschen wird offensichtlich als bequemer angesehen als die Last einer Entscheidung mit allen Konsequenzen zu tragen. Nicht nur der demokratische innerparteiliche Akt, der dieser Verantwortung Rechnung trägt – die Wahl und die mögliche Abwahl oder Nicht-Wieder-Wahl von Vorständen – wird so entwertet; solche überflüssigen Geplänkel tragen vielmehr auch zur Lähmung unserer Verfassungsorgane, vor allem des Bundestags, bei – zum Schaden aller.