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Monat: August 2019

4.8.2019

4.8.2019

Gesteigert wird das mit dem sinnentleerten Schauen verbundene Wohlgefühl, wenn – wie sonntags in besonderem Maß üblich – zusätzlich noch die Glocken läuten. Die Kirchen stehen glücklicherweise recht weit weg von Haus und Garten; also tönen ihre Glocken von fern, gleichsam etwas Geheimnisvolles, Zukünftiges, auf jeden Fall aber Weihevolles verheißend. Wie ein Ritual, das ich seit Kindestagen kenne. Der Klang ergreift mich und macht mich ergriffen; der Körper bebt innerlich, und es steigen Wogen von Energie und Glück in mir auf.

Das ist freilich nun etwas Anderes als sinnentleert. Es ist sinnenfroh, hellwach, erregt. Ohne dass ein Objekt, auf das sich diese Sinneswahrnehmungen richten, auch nur geahnt werden könnte. Es ist im besten Sinne des Wortes zwecklos – einfach nur präsent. In diesen Momenten gibt es keine Fragen und schon gar keine Antworten. Einfach Sein.

3.8.2019

3.8.2019

Wochenende. Der Samstagabend war früher der Ausgehabend. Wenn nicht an diesem Abend – wann dann? Das Leben spielt in der City, nicht im Vorort; und die hält so ein riesiges Angebot bereit… im Sommer natürlich bevorzugt an der frischen Luft, es sei denn, die Luftfeuchtigkeit war zu hoch. Stoffel im Günthersburgpark, Palmengarten (ob nun Kammeroper, Jazz oder Weltmusik), Sommerwerft, was auch immer. Bloß nicht zu Hause rumhängen.

Heute lese ich zwar immer noch die Terminankündigungen im „Journal Frankfurt“, aber nur, um zu erfahren, was ich alles verpasse. Denn ich fühle mich daheim am wohlsten. Und wahrlich, ich verpasse eigentlich gar nichts. Leben findet dort statt, wo ich bin. Und wenn es auf der Sonnenliege im Garten ist, in der ich nichts Anderes tue als sinnentleert in die Gegend zu gucken, wie beim Brühmarkt (siehe bereits das gestrige Kaleidoskop). Nur dass der Garten viel schöner ist und Blicke in die Nachbargärten erlaubt, die auch viel schöner sind. Und gerade am Samstagabend – da ist nämlich die Tankstelle um die Ecke schon zu und das Gebläse der Trockenanlage der Auto-Waschstraße dröhnt einem nicht mehr die Ohren voll. Nur die Flieger ziehen je nach Windrichtung lauter oder leiser übers Haus, je nachdem, ob sie im Start- oder Landeanflug sind. Ansonsten – eine Ruhe wie auf dem Dorf, manchmal sogar noch ruhiger. Herrlich. Am I growing old??

2.8.2019

2.8.2019

Beim morgendlichen Kaffee auf dem Außengelände des Brühmarkts in der Adalbertstraße sitzt heute ein junger Mann am Nebentisch; geschlossene Augen, kerzengerade Sitzhaltung, den Rücken fest an die Lehne und den Kopf an die große Schaufensterscheibe gelehnt, vollkommen in sich versunken. Seine Hände, auf dem Schoß vor dem Körper ineinander verschränkt, formen ein Mudra. Ganz klar: Er meditiert.

Mir ist das Meditieren nun auch sehr vertraut, und ich bewundere die absolut klare Präsenz, die die Körperhaltung dieses Mannes so eindeutig zum Ausdruck bringt. Auf die Idee, ausgerechnet an dieser Ecke im brüllenden Verkehrslärm und dem Gewusel der Passanten Meditation zu praktizieren, wäre ich aber selbst in 50 Jahren nicht gekommen. Zwar unterscheidet sich mein „Sitzen“ an dieser Stelle durchaus deutlich von dem der anderen Gäste – mir kommt es schon manchmal so vor, als trüge mein sinnentleertes Schauen, das Beobachten dessen, was um mich herum vor sich geht, das stille Verharren vor dem doppelten Espresso, verbunden mit dem sensorischen Genuss, den das dunkle Gebräu einschließlich der wunderbaren Crema vermittelt, Züge von kontemplativer Versenkung. Aber die Augen habe ich bislang noch nicht geschlossen; wer weiß, was dann geschähe… und erst recht kann ich mir nicht vorstellen, dort barfuß zu sitzen wie mein Nachbar, der sich seiner Schuhe und Socken entledigt hatte und dessen bloße Füße auf dem Pflaster ruhten. Er schien vollständig entrückt… bis mit einem Mal, ganz plötzlich, ein breites Lächeln über sein Gesicht huschte, er im gleichen Moment die Augen öffnete (oder war das einen Moment zuvor?) und freudestrahlend einen anderen jungen Mann begrüßte, der sich, bepackt mit zwei prall gefüllten Satteltaschen, seinem Tisch näherte. Also sowas… entweder war er hellsichtig oder mit der Meditation war es doch nicht so weit her! Oder befand er sich etwa in einer Sphäre, in der das Unsagbare gesagt und das Unsichtbare gesehen werden kann?