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Schlagwort: Zeitenwende

Mit Sicherheit!

Mit Sicherheit!

Dass wir in Deutschland Sicherheitsfanatiker sind, kann nicht nur nicht ernsthaft bezweifelt, sondern auch wie vieles andere mit dem Prädikat „Made in Germany“ versehen werden. Nicht erst seit dem Fastnachstdienstag mit dem umfassenden Sicherheitskonzept für Klaa Paris (siehe Kaleidoskop vom 4. März), mit dem potenzielle Anschlag-Verübende präventiv in die Schranken gewiesen werden sollten, können wir mit Fug und Recht sagen: Sicherheit wird in Deutschland groß geschrieben! Weitere Beispiele lassen sich unschwer finden: Ob es nun bei einer (erst vor kurzem sanierten) Straßenbrücke möglicherweise dazu kommen könnte, dass die tragende Stahlkonstruktion womöglich korrosionsbedingt rissig werden könnte (man sieht es schon an der Formulierung: eine akute Gefährdung konnte nicht festgestellt werden, wie auch das zuständige öffentliche Amt ausdrücklich versichert) – die Brücke ist gleichwohl bis auf Weiteres gesperrt worden – oder ob etwa in einem Fußballstadion in Bochum eine Rettungstür im Spielfeldzaun im Ernstfall möglicherweise nicht schnell genug geöffnet werden könnte, weil Fans dort ein Banner hingehängt haben – immer geht es um unser aller Leben und, wenn man es tiefer hängt, um eine Abwägung, bei der zuweilen das Maß aus den Augen verloren und eine Gefahrensituation unterstellt wird, die zwar Brachialmaßnahmen rechtfertigt, deren Realisierungschance jedoch nicht ganz zweifelsfrei erscheint.

Und nun vernimmt der interessierte Zeitgenosse, dass in der heutigen Debatte im Deutschen Bundestag einer Erweiterung des Sicherheitsbegriffs das Wort geredet wird. Zeitenwende auch in Bezug auf diesen Begriff, das ist mal was! Zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland soll jetzt auch die Infrastruktur in einem ganz umfassenden Sinn gehören, und das nicht nur, weil gegebenenfalls über die maroden Brücken auch Panzer rollen können müssen, ohne Gefahr zu laufen, abzustürzen… Wer weiß, vielleicht fallen dann bei der Inanspruchnahme des Sondervermögens auch ein paar Groschen für die offenkundig nötige Sanierung eines Fußballstadions ab?

551

551

Nicht nur ein Rauschen, sondern gleich einen Sturm im Blätterwald – und in den Aktentaschen derjenigen Mitglieder des amtierenden Deutschen Bundestags, die noch auf gedrucktes Papier Wert legen – verursachte der Umstand, dass die Unionsfraktionen, ebenfalls direkt am Tag 1 nach der Wahl, nicht etwa dem alten Parlament neues politisches Leben einhauchen wollten, sondern umstandslos die parteitaktischen Scharmützel der Wahlkampfzeit fortsetzten, als hätte es weder den Wahltag noch das erschreckende Wahlergebnis gegeben. Die „Kleine Anfrage“ zur Finanzierung von allen möglichen Organisationen der sogenannten Zivilgesellschaft im Umfang von gerade mal 551 Fragen an die nur noch wenige Wochen im Amt sich befindende Bundesregierung soll angeblich die Herstellung von Transparenz über die Verwendung von Steuergeldern zum Ziel haben. Wer’s glaubt.

Transparenz ist ja immer gut. In der Sache ist es gewiss niemandem übel zu nehmen, sich darum zu sorgen, wie der Staat mit unserem Geld umgeht. Aber 551 Fragen, unmittelbar im Anschluss an die Wahl, die vor allem das Ergebnis brachte, dass eine Regierungsbildung nicht so ohne weiteres wird gelingen können? Und wenn gleichzeitig alle bislang als bruchfest angesehenen sicherheitspolitischen Dämme wegbrechen und zur Notwendigkeit führen, so schnell wie möglich mit stabilem Regieren zu beginnen? Müssen der amtierende Bundestag und die noch amtierende Bundesregierung Knall auf Fall noch mit – vor diesem Hintergrund – nachrangigen Sandkastenspielen beschäftigt werden? Mit Verlaub: Hier ging es zuallererst darum, eine Stinkbombe zu schmeißen und Rache für Vorkommnisse im Wahlkampf zu üben, vergleichbar übrigens dem Stil desjenigen, der gerade jenseits des Atlantiks die Strippen zieht. Wie aber verträgt sich das mit der von Friedrich Merz in einem Interview mit der FAZ geäußerten Mahnung, in Deutschland müsse man „zu mehr politischer Geschlossenheit“ zurückfinden? Fazit: Die auch auf dieser Ebene nötige Zeitenwende ist bei den Parlamentariern der Union noch nicht angekommen.

„Zeitenwende“ im Kaleidoskop

„Zeitenwende“ im Kaleidoskop

Drei Jahre sind seit der Übernahme dieses Worts in die Alltagssprache vergangen. In der Realität hat sich jedoch wenig getan. Nun hat der vergangene Sonntag auch so etwas wie eine Zeitenwende in der Realität der Wahlen zum Deutschen Bundestag gebracht.

Es wird Zeit, dies kritisch zu begleiten. Der Journalismus erfüllt diese Aufgabe nur unzureichend. Viel zu oft wird nur mit altbekannten Worthülsen und in hergebrachten Schablonen berichtet und kommentiert. Dem gesellschaftlichen und geopolitischen Wandel, der auch zu einer anderen Sichtweise auf viele Probleme und zu einer anderen journalistischen Aufbereitung führen müsste, wird dadurch nicht Rechnung getragen. Es bedarf zusätzlich anderer Medien, um einen Versuch zu starten, Gedanken zu den Themen unserer Zeit öffentlich zur Debatte zu stellen. Ein Ort dafür soll von nun an auch das Kaleidoskop sein.