21.2.2021
Auch wenn uns die Pandemie nun ziemlich genau ein Jahr beschäftigt und umfassende Besserung kaum in Sicht ist – und auch wenn im Kaleidoskop in diesem Jahr vor allem das Positive betont werden soll: Auch Corona kann in diesem Sinn noch etwas abgewonnen werden; zugegeben: nur wenig. Aber immerhin: Wenigstens sorgt der „Lockdown“ für eine späte, sozusagen nachgezogene Wiederherstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland, machen doch nun auch wir Westdeutschen die Erfahrung, wie es sich anfühlt, wenn man ständig anstehen muss, um etwas zu bekommen. So endete der gestrige Ausflug in den Vorspessart mit einem Besuch der wunderschönen Altstadt von Seligenstadt und einem gleich viermaligen Erlebnis in Wartepositionen. Das begann bei der Überfahrt von Bayern aus per Fähre, da erst die Mittagspause des gestressten Fährmanns abgewartet werden musste, setzte sich fort bei der Konditorei, wo der erste Happen den leeren Magen füllen sollte, und dann, schon deutlich länger, bei der Döner-Bude mit einer Google-Bewertung von 4,7 und fand seinen Höhepunkt vor der Eisdiele mit Waren aus hundertprozentig biologischen Zutaten; hier musste die Vorfreude mehr als 20 Minuten genossen werden und die Schlange ging um die Straßenecke. Kein Wunder bei dem Frühlingswetter…
Der Wochenendausflügler mag zwar die mit der Warterei verbundene Entschleunigung auf das Lebhafteste begrüßen, zumal wenn der Aufenthalt in der Schlange mit einem Sonnenbad verbunden ist. Keine Hektik, wann hat man das schon mal… Aber die Warterei lässt das Hirn ins Arbeiten kommen, wie das halt bei funktonierenden Hirnen so üblich ist. Und dann gerät die Muße in Gefahr: Schon an der Sinnhaftigkeit der Verwendung des schrecklichen Begriffs „Lockdown“ kommen angesichts des bunten Treibens am Samstagmittag gehörige Zweifel auf: Die Frankfurter Zeil ist normalerweise nicht weniger belebt. Als vollends der Nachvollziehbarkeit entzogen erweisen sich aber die ganzen Maßnahmen der letzten Zeit. Warum soll es nicht erlaubt sein, in einer Gaststätte zu speisen, in der die Hygieneregeln beachtet werden, wenn massenhaft Menschen in Schlangen an Eisdielen anstehen, weil die ebenfalls die Regeln einhalten und nur maximal 2 Personen gleichzeitig bedienen? Warum dürfen Profifußballer sich jubelnd in den Armen liegen und Trainer miteinander mehr als engen Körperkontakt pflegen, Zuschauer aber nicht im gehörigen Abstand auf den Tribünen anwesend sein, natürlich nicht ohne Maske? Von dem Verbot der Ausübung von Sport in der Gruppe ganz zu schweigen – der ganze Breitensport geht vor die Hunde, während der Profifußball gehätschelt wird und wir in der Schlange vor der Eisdiele über die ganze Ungereimtheit der von unseren Politikern und Virologen erdachten Maßnahmen nachdenken können. Zum Glück hat endlich die Warterei ein Ende und kann der Magen – im benachbarten Klosterhof, begleitet von Klängen eines dort sitzenden Trompeters – mit zwei Riesenkugeln Eis und der obligaten Sahnehaube gefüllt werden. Das bringt das Hirn dann doch zur Mäßigung…