14.4.2021
Die Pandemie verschlimmert die Auszehrung der Provinz. Anlässlich einer Besorgung führte der Weg nach Oberhessen. Doch wo früher lebendige Kleinstädte mit teilweise gut erhaltener Fachwerkbausubstanz dem lärm- und abgasgeplagten Großstädter idyllische Zustände vermittelten und zumindest vorgaukelten, es ließe sich womöglich angenehmer dort leben als im heimatlichen Frankfurt, findet der Durchreisende heute öde, ausgestorben wirkende Zentren ohne die zuvor vorhandene vielfältige Infrastruktur. Statt Traditionsbäckerei, Metzger oder Modegeschäften sind zwar noch Eisdielen und das eine oder andere (derzeit natürlich geschlossene) Restaurant anzutreffen; im Übrigen fällt jedoch die Vielzahl von Massagesalons thailändischer Provenienz oder vietnamesischer Nagelstudios auf. Diese Orte halten sich, das spürt man, gerade noch so am Leben; man wagt keine Prognose, wie lange noch. Die Menschen arbeiten woanders; den zuvor ein vielfältiges Angebot offerierenden kleinen Einzelhandelsgeschäften haben die großen Märkte in den schrecklichen Gewerbegebieten vor den Toren der Städte weitgehend den Garaus gemacht, und was noch übrig geblieben ist, wird sich wegen des Lockdowns vermutlich nicht mehr lange über Wasser halten können. Butzbach, Lich, Grünberg – nur noch dunkle und tot anmutende Schatten, wo früher Licht und Lebendigkeit herrschten…
Da erscheint dann die Vielfalt der Großstadt, von der City bis in die entlegenen Stadtteile, doch in anderem Licht: Alles, was der Mensch braucht, liegt hier nah beieinander, sogar die lebenswichtige Natur. Und hier bewirkt die Pandemie in all ihrer Schrecklichkeit auch Positives: Nie war es so ruhig wie derzeit in Frankfurt. Kommt der Wind nicht von der falschen Seite, vermittelt die morgendliche Atmosphäre beim Blick aus dem Dachzimmer den Eindruck, in einem Kurort zu weilen – das Sonnenlicht strahlt in unendlicher Ruhe über die Dächer von Heddernheim, die Vögel begrüßen den Tag und von fern ertönt das Gebell eines Hundes. Das, so dachte ich früher, könne so nur in der Provinz wahrgenommen werden. Weit gefehlt!