2.5.2022
Nicht um einen Zielkonflikt, sondern um einen schlichten Konflikt handelt es sich, wenn man die Entscheidungsfreiheit hat, ob eine Postfiliale aufgesucht werden soll. Ich versuche das möglichst zu vermeiden, was schon deshalb recht einfach erscheinen mag, weil viele Postleistungen mittlerweile online abgerufen werden können, vor allem aber, weil es eigentlich gar keine Postfilialen mehr gibt. Ja, gelegentlich stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch eine Post gibt – insbesondere angesichts einer zunehmenden Zahl von Tagen, an denen der Briefkasten leerbleibt, während er dann an Folgetagen auch schon mal überquillt, weil sich der Zusteller endlich mal wieder aufgerafft hat, seiner Arbeit nachzugehen. Zu finden sind noch jede Menge „DHL-Shops“, an die die Post ihre Arbeit abgedrückt hat und in denen allerdings nicht nur Pakete, sondern auch Briefsendungen aufgegeben und Briefmarken erstanden werden können, also doch klassische Postdienstleistungen, für die es eben früher das Postamt gab. Außerdem kann man der Postbank in einer ihrer wenigen Filialen einen Besuch abstatten, weil auch diese sich eher als Gemischtwarenladen darbieten und im Auftrag der Deutschen Post – die gibt es tatsächlich noch – ebenfalls solche Leistungen anbietet. Aber halt – die ehemals quasi-hoheitlichen Handreichungen, wie zum Beispiel die Bestätigung der Authentizität meiner Unterschrift unter ein offizielles Schreiben, die gibt es nicht im DHL-Shop; dazu muss man tatsächlich zur Postbank. Und in einem solchen Fall ersetzt den Konflikt die Katastrophe.
Nicht nur, aber insbesondere für den Besuch der Postbank im Nordwestzentrum muss man vorsichtshalber nicht nur einen ganzen Tag reservieren; man sollte auch einen Tag wählen, an dem man nicht mit dem linken Fuß aufgestanden ist und auch sonst über ein sonniges Gemüt verfügt. Täglich grüßt die Schlange der zahlreichen Wartenden schon weit vor dem Eingang zur Hölle. Hat man diesen passiert, heißt das noch lange nicht, dass das Ende des Wartens absehbar sei. Die Postbank hat sich eines Vorbilds aus dem letzten Jahrhunderts besonnen und ahmt mit Erfolg den realsozialistischen Alltag im Osten Deutschlands nach. Ein Wunder, dass Arbeitsabläufe im modernen und so effizienten Deutschland tatsächlich noch so gestaltet werden können, dass ein Aufenthalt vor dem Schalter als schmerzensgeldpflichtig qualifiziert werden muss. Heute waren tatsächlich deren zwei geöffnet – aber nur kurz, bevor dann eine Schalterangestellte den Laden dichtmachte und eine Viertelstunde Daten in den PC eingab, ohne die wartende Meute auch nur eines Blickes zu würdigen. Kunden? Das kann ja wohl nicht wahr sein. Dateneingabe geht vor. Derweil mühte sich der zweite Schalterbedienstete, einer hoch in den Achtzigern stehenden Dame eine Kontoeröffnung und die Funktionsweise einer PIN für die Girocard näherzubringen. Das war auch nach den 45 Minuten meiner Wartezeit noch im Gange, so dass ich nicht beurteilen kann, ob der Vorgang erfolgreich zu Ende gebracht werden konnte. 45 Minuten für eine Bestätigung einer Unterschrift. Portugiesische Fahrkartenschalter sind dagegen Expressabfertigungen.