16.1.2019

16.1.2019

Zum ersten Mal im neuen Jahr mit dem Fahrrad zur Arbeit! Das kostete am Vormittag noch Überwindung – grau, mit wolkenverhangenem Himmel kam der Tag daher, und obwohl kein Frost war, blies der Wind aus Nordwest eisig. Aber umso schöner dann die Rückfahrt am Nachmittag bei pastellblauem Glanz, zunehmendem Sonnenschein und – Rückenwind!

Am Ufer der Nidda entlangfahrend erspähte ich gleich drei Enten und einen Erpel, die ihre Schwänzchen in die Höh reckten, weil sie mit den Schnäbeln im Trüben fischten. Wasserhühner schwammen aufgeregt umher, die 2 mittlerweile Heddernheimer Bewohner gewordenen Nilgänse steckten auf der Uferböschung noch ihre Köpfe ins Gefieder und vier Spaziergänger amüsierten sich über die niedliche Nutria-Familie, die gerade die mitgebrachten Futterreste der Menschen verputzte, wie das eben Bisamratten so tun – possierlich, die Karotte in den Pfoten haltend und laut schmatzend und mit den Kiefern mahlend. Den Erwachsenen spart’s den Eintrittspreis für den Zoo, auch wenn die Nagetiere auf diese Weise nicht artgerecht ernährt werden. Und so fern der Frühling noch ist – eine Ahnung konnte man heute davon schon haben, im Biotop Frankfurt…

15.1.2019

15.1.2019

Was im Bereich der Müllentsorgung… äh… pardon, der Wertstoff-Wiederaufbereitung der Wertstoffhof, ist im Bereich der ökologischen Hauserwärmung die „Einblaspauschale“. Um Himmels willen, nun denken Sie bitte bloß nicht ans Falsche! Da wird nicht pauschal etwas eingeblasen, sondern damit bezeichnen die Lieferanten den Betrag, den sie dafür nehmen, dass sie einen „Befüllschlauch“ von einem Lieferwagen an ein Pellets-Lager anschließen lassen, um dann mit Hilfe von Luftdruck die Pellets vom Wagen in das Innere des Lagers befördern zu können. Einschließlich des Einblasens.

Vorher muss noch ein „Einblasprotokoll“ ausgefüllt werden, damit dokumentiert wird, ob der werte Kunde in einen „Sacksilo“ einblasen lässt oder über einen massiven (!) Lagerraum verfügt. Auch die „Lageraustragung“ interessiert – Saugsystem oben, Saugsystem unten, Schnecke? Erst zum Ende der Befüllung, pardon, des Einblasens kommt die Überraschung: Wird 3 Lieferungen hintereinander tatsächlich die bestellte Menge auch eingeblasen (und nicht weniger!), dann – ja, dann wird, gleichsam als Belohnung, die Einblaspauschale nicht berechnet! Glücklich, wer die Füllmenge des Lagers im Kopf hat und abschätzen kann, wieviel Platz die zuvor verbliebenen Pellets dort noch gelassen haben!

14.1.2019

14.1.2019

I’m growing old. Zugegeben – geklaut aus „True Grit“, aus dem Munde Rooster Cogburns, aber wahr für jeden von uns. Banal, aber unabänderlich. Heute fiel es mir nur mal wieder besonders auf. Ich fahre nämlich jetzt immer mit der Straßenbahn zum Rebstockbad. Das ist zwar umständlich, weil ich zweimal umsteigen muss, aber es konveniert mir derzeit ungemein – das Autofahren, zumal in der Stadt, macht keinen Spaß mehr.

Früher hätte mich freilich schon allein ein Blick auf den Zeitunterschied anders handeln lassen. Nur knapp mehr als 10 Minuten by car, während die Fahrt mit dem ÖPNV gut und gerne dreimal so lange währt (wenn alles klappt)! Doch nun liebe ich es, gefahren zu werden, statt selbst am Steuer zu sitzen und ständig auf den Verkehr zu achten, der ja auch nicht weniger geworden ist. Und heute ertappte ich mich doch tatsächlich beim Rausgucken dabei, wie ich einfach immer wieder die wechselnde Perspektive genoss und – bei strahlendem Sonnenschein am späten Nachmittag – trotz aller Hin- und Herwindungen des Schienenwegs und der engen Kurven selbst mit wachsender Entfernung immer wieder die blau glänzende, runde, aber immer kleiner erscheinende Scheibe des Radisson-Hotels am Katharinenkreisel erspähte, an der ich zu Beginn vorbeigefahren war. Das wär mir früher gar nicht aufgefallen. Bummeln kann doch schön sein!

13.1.2019

13.1.2019

Die Weihnachtstage brachten viele Pakete ins Haus. Im Keller gab’s kaum noch ein Durchkommen. Und ob der Menge schien es wenig ratsam, den üblichen Entsorgungsweg über die Papiertonne zu nehmen. Also – Erkundungsfahrt zum Kofferraum-Service beim „Wertstoffhof Nord“ in Kalbach. Ja, so nennen sich heute die Müllsammelstellen! (Nein, diese Fahrt fand natürlich nicht heute – am Sonntag – statt. Aber heute fand auch sonst nichts statt, wegen des Dauerregens, und über irgendetwas muss ich ja schreiben…)

Regenverhangen war es allerdings auch an jenem Tag. Das Gewerbegebiet, an dessen äußerstem Ende der Wertstoffhof errichtet wurde, hat Obstbaumwiesen und Äcker einer völlig neuen Bestimmung zugeführt… Da wir morgens noch kurz vor der Öffnung ankamen, mussten wir uns erst einmal in die Schlange der wartenden Fahrzeuge einreihen. Die Schlange blockierte in der eher schmalen Straße für Minuten einen Lastwagen, dessen Fahrer das allerdings mit selten gewordener Geduld akzeptierte. Doch dann öffnete sich das Tor, hilfsbereite, orangegewandete Mitarbeiter der FES lotsten uns zu den richtigen Containern, und jeder grüßte mit einem freundlich-kräftigen „Morgen!“ und lächelte uns zu. Da war dem Herz schon viel fröhlicher zumute als das Wetter erwarten ließ!

12.1.2019

12.1.2019

saasfee! Ich meine hier nicht den Wintersportort in den Schweizer Alpen; der hat mit diesem Kaleidoskop nichts zu tun. Nein – saasfee ist mein Programmhöhepunkt bei radio x, dem unabhängigen Frankfurter Stadtradio mit dem alternativen Radioprogramm für alle diejenigen, die das seichte Angebot des HR und all der anderen gleichförmigen Radiosender nicht mehr ertragen. Darum heißt die Sendung ja im Nachklapp auch „peak show“. Alle 4 Wochen bringt radio x für 2 Stunden am Freitagabend dieses wunderbar schräge, verspielte, undergroundig-experimentelle Tonkunstwerk.

Natürlich, was da jeweils gespielt wird, ist immer eine Überraschung; manchmal schalte ich auch nach kurzer Zeit wieder aus, weil’s mir zu bunt wird (ja, ja, Stichwort Reizüberflutung…). Aber zumeist komme ich aus dem Staunen nicht heraus. Da werden Tonfragmente und absurde Textschnipsel an sich steigernde Techno-Sounds oder andere Grooves gereiht und miteinander gemixt, dass es nur so eine Hör-Lust ist. Ersetzt garantiert jede Substanz zur Stimmungsaufhellung und zum Chillen…

11.1.2019

11.1.2019

Die Straßenbahntür öffnet sich, aber an Einsteigen ist nicht zu denken. Der Zugang wird ausgefüllt durch einen Rollstuhl, in dem eine offenkundig fremdländische Frau sitzt, die nach draußen starrt. Sie scheint sich weder bewegen noch artikulieren zu können. Ihr Blick offenbart Hilflosigkeit. Für einige Sekunden, die sich viel länger anfühlen, geschieht gar nichts. Doch dann packen wir, ohne dass irgendeine Absprache stattgefunden hätte, mit insgesamt 8 hilfsbereiten Händen an und heben den Rollstuhl nach draußen.

Ein selbstverständlicher und doch, so wirkt es, außergewöhnlicher Vorgang. Wie diese Hilfsaktion so spontan, in gleichsam blindem Verständnis mit dem Blick für das Wesentliche vonstatten ging – die Mitmenschlichkeit! Sie löste darüber hinaus etwas aus, was sonst in einer Straßenbahn Seltenheit hat: Ein Gespräch unter Menschen, die sich nicht kennen. Eine Frau – sie hatte mitgeholfen – kann sich gar nicht beruhigen ob der Hilfsbedürftigkeit, deren sie gerade Zeugin geworden war; sie unterhält sich mit mir aber auch sonst über alles Mögliche, bis sie aussteigt. Eine Begegnung, die diese Fahrt als etwas Besonderes erscheinen lässt.

10.1.2019

10.1.2019

À propos Adalbertstraße: In ihr spiegelt sich das ganze Elend Frankfurter Stadtgestaltung. Ein Musterbeispiel dafür, wie die Stadtplaner Dinge in den Sand setzen. Ihr heutiges Aussehen erhielt sie mit dem Abschluss des ersten großen Sanierungsprojekts nach dem Krieg, der Sanierung Bockenheims. Ich bin vorher noch mit der Straßenbahn von Praunheim Richtung Innenstadt da durchgefahren, als sich die Straße zur Bockenheimer Warte hin drastisch verengte und die Autos der Bahn permanent den Weg versperrten.

Heute sind die Engstellen nicht mehr kriegsbedingt, sondern planungsbedingt, und sie treffen vorwiegend die Fußgänger. Sie müssen sich das auch so schon schmale Trottoir mit den Radlern teilen, die trotz der geraden Linienführung der Straße immer wieder kleine Kurven zu bewältigen haben, weil für Abbiegespuren unbedingt Platz sein sollte, die allerdings permanent zugeparkt sind. Die Kollisionen sind vorprogrammiert, zumal, wenn Passanten auch noch Kinderwagen vor sich herschieben. Denn die möglichen Ausweichstellen rechterhand, unter den Kolonnaden – aber darf man die überdachten Gänge an den Häuserfronten tatsächlich so wohlwollend benennen? -, sind vollgestellt mit – ja, Kaffeehaus-Stühlen, vermutlich ohne dass die Kaffeehaus-Betreiber über die notwendige Sondernutzungserlaubnis verfügen. Ihren eigentlichen Zweck erfüllen die Kolonnaden darum nicht mehr. Um Depressionen zu vermeiden, darf man nicht an italienische Stadtarchitektur denken…

9.1.2019

9.1.2019

Kaffeehaus-Atmosphäre – ein „Kleiner Brauner“, eine Melange oder gar ein „Einspänner“ – wem der Sinn nicht nur nach Kaffeegenuss, sondern auch der dazu einfach notwendig gehörenden Stimmung steht, der denkt unweigerlich an Wien. Das Wiener Kaffeehaus und seine nörgelnden Ober sind Institutionen, derentwegen Millionen von Touristen die Stadt besucht haben und auch weiterhin besuchen werden, mag auch dort das Kaffeehaus alter Tradition längst nicht mehr in so großer Zahl wie früher anzutreffen sein.

Mit Frankfurt verbindet man das nicht, ungeachtet der geradezu atemberaubend gewachsenen Zahl neuartiger Coffeeshops oder Espresso-Bars. Allein die Adalbertstraße in Bockenheim bietet auf ihren knapp 500 m Länge deren 4, das „Crumble“ und das „Albatros“ um die Ecke nicht mitgezählt; dazu zwei Bäckereien mit Kaffee-Anschluss und einige Pizzerien, die natürlich auch Espresso im Angebot haben. Die Kaffee-Auswahl lässt keine Wünsche mehr offen – aber Atmosphäre? Zum Entspannen wie im Wiener Kaffeehaus sind alle diese Etablissements der falsche Ort, auch das Crumble, das mittlerweile scharenweise die jungen Mütter mit ihren schreienden Säuglingen angelockt hat, die früher im Albatros dem Stillen nachgingen. Überall nüchtern-sachliche Einrichtung, spröde Geschäftigkeit (teils mit Selbstbedienung), erheblicher Lärmpegel und weitgehend ein Publikum, neben dem zu sitzen jedenfalls mir keinen Spaß macht. Etwa jeder zweite sitzt vor einem aufgeklappten Laptop und schlürft kaltgewordene Latte. Und mehr als 2 Euro für einen Espresso zu zahlen – das ließe sich kein Italiener im Heimatland bieten…

8.1.2019

8.1.2019

Der Prozess des Alterns geht einher mit der Entwicklung einer zunehmenden Intoleranz gegenüber sinnlicher Reizüberflutung. Bei mir hat dies unter anderem zur Folge, dass ich kaum noch ins Kino gehe. Nicht nur, dass die Filme allgemein durch immer schnellere Schnittfolgen immer hektischer erscheinen; nein, vor allem die Unmengen an Filmankündigungen und Werbetrailern empfand ich schon vor Jahren als aufdringlich bis unerträglich. Höhepunkt war dann immer die obligate aufgezwungene Eisverkaufs-Pause. Ich will doch einen Film sehen, keine Schnipsel, und zum Eisessen gehe ich in die Eisdiele! Wie schön, dass irgendwann die Arthouse-Kinos eine werbefreie Nische schufen und auch die Filmankündigungen auf ein erträgliches Maß begrenzten.

Vorbei, leider. Gestern in der Abendvorstellung in der „Harmonie“ – immerhin auch schon fast eine Spätabend-Vorstellung – galt es erst einmal ein fast halbstündiges Panoptikum kurz hintereinandergeschnittener Werbesequenzen und noch kürzerer Filmankündigungen zu ertragen, aufgemischt durch 4 bis 5 Trailer, die zeigten, dass es mit der Filmkunst auch nicht mehr so weit her ist. Sicher, hier sah man nicht den Marlboro-Cowboy, sondern den Rettungskapitän der Seenothilfe im Mittelmeer; aber Werbung verliert ihren übergriffigen Charakter auch dann nicht, wenn sie im Gewand politischer Korrektheit daherkommt. Die neue Geschäftsleitung hat einen großen Fehler gemacht: Wer wie ich in erster Linie einen Film – und nur einen Film – gucken will, lässt in Zukunft auch Arthouse links liegen.

7.1.2019

7.1.2019

Da ich auf dem Rückweg von einer Dienstreise am Hauptbahnhof landete und keine Lust hatte, schon wieder in einen Zug zu steigen und mit der U-Bahn nach Hause zu fahren, entschied ich mich für einen kurzen Spaziergang durch das schon seit längerem als angesagt gehypte Bahnhofsviertel. Einen Grund für den Hype konnte ich auch diesmal wieder – wie schon unzählige Male zuvor – nicht entdecken. Die Straßen sind nach wie vor schmuddelig, unabhängig vom Wetter, mit angetrocknetem Blut und Scherben bedeckt und mit allerlei Unrat übersät; zum Verweilen lädt das Viertel (abgesehen von den orientalischen Mitbürgern in und vor ihren zahlreichen Läden) nur die Junkies – immer noch, oder schon wieder – und andere Gestrandete ein.

Und was die angeblich attraktive Atmosphäre angeht, die zuletzt während der sommerlichen Bahnhofsviertelnacht in großflächig projizierten Videos beschworen wurde – die spüre ich nicht, weder an grauen, kühlen Wintertagen wie diesem noch im Sommer, wenn die Sonne scheint. Woher soll sie auch kommen? Allein 8 oder 9 Friseursalons bloß auf der Münchener Straße, wobei ich nur auf der rechten Straßenseite gezählt habe; zum Teil einer neben dem anderen, und in allen die ewig gleich aussehenden, mit strenger Miene einen ebenso strengen Scheitel über ausrasiertem Nacken ziehenden Barbiere, sämtlich ausschließlich Männer bedienend… eine Parallelwelt, die mir so fremd vorkommt, dass ich dort nicht hingehen möchte, und schon gar nicht leben. Doch das ist eh kein Thema – bei den mittlerweile auch dort verlangten Mieten könnte ich es gar nicht, vom Kaufen ganz zu schweigen.