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Autor: admin

15.2.2019

15.2.2019

Heute war offenkundig der Tag der offenen Biere. Zunächst stieß ich beim Nachmittags-Spaziergang am Niddaufer – was soll man bei diesem Wetter auch anderes machen? – auf zwei Herren in Jeans und Kapuzenpulli (jene Montur, die unser Ex-Bundeskanzler, der wenigstens noch ein richtiger Kanzler war, etwaigen tollkühnen SPD-Kandidaten für ebendieses Amt zu meiden anrät, um nicht von vornherein chancenlos zu sein), die auf einer Bank ein schönes Fäßchen platziert und dessen Inhalt in ihre passenden Gläser umgefüllt hatten, mit denen sie sich, wie Männer dies eben so tun, in aller Seelenruhe zuprosteten. Das Outfit ließ nicht zwangsläufig den Schluss darauf zu, dass sie kurz zuvor einem Flieger aus Charkiw entstiegen waren; das hätte aber durchaus sein können, und ein Unentschieden der Eintracht in ukrainischer Kälte wäre ja durchaus ein Grund, ein Fass aufzumachen, bei den lauen Temperaturen hier…

Abends, auf meinem Weg in die Oper, bestieg an der Haltestelle Weißer Stein ein einzelner Mann die Bahn, der gleich zwei Fläschchen in der Hand hielt. Wie sich herausstellte, war er verabredet, denn zwei Stationen weiter erhielt er Gesellschaft von einem weiteren. Die erste Handlung nach der Begrüßung: Der Flaschenmitbringer entkorkte eine Flasche, reichte sie mit wohlmeinendem Augenaufschlag und ohne Worte – weil Männer ja nicht viel reden müssen – seinem Begleiter, öffnete die zweite Flasche und beide nahmen erst einmal einen kräftigen Schluck, und es war selbstverständlich nicht der letzte. Man unterhielt sich über Job und was sonst noch, die Kehlen immer gut befeuchtet, und auch hier wieder der coole Männerblick, wie man ihn auch aus der Werbung kennt. Nur nicht zuviele Emotionen… Ich frage mich unwillkürlich, ob ich so etwas überhaupt schon einmal in einer U-Bahn gesehen habe – ich trinke Bier höchstens in der Kneipe oder zuhause.

14.2.2019

14.2.2019

Die Fülle des Daseins erleben wir am besten in den Extremen. Ein Termin führte mich heute nach Freiburg, in diese wunderschöne Stadt am Fuß des südlichen Schwarzwalds, die mit einer – freilich (jedenfalls in Teilen) nach dem Krieg wieder aufgebauten – Altstadt aufwarten kann, von der ein Frankfurter nur träumt. Und trotz aller Ruhe und Verträumtheit weist diese Stadt modernes städtisches Flair und Leben auf, natürlich nicht zuletzt wegen der Universität und der dadurch bedingten, aber auf wesentlich kleinere Fläche als in Frankfurt begrenzten Infrastruktur. Den Weg von jener Altstadt zum Bahnhof gestaltete ich bewusst langsam, um die herrliche Stimmung, die sich auch angesichts des Kaiserwetters eingestellt hatte, möglichst lange und in vollen Zügen zu inhalieren.

,In Frankfurt angekommen, folgte ich einem spontanen Impuls und schlenderte durch die Kaiserstraße Richtung Willy-Brandt-Platz. Und hier geschah das Wunder: Ich war mit einem Mal beeindruckt, wie die Architektur der die Straße säumenden Gebäude derjenigen in der Stadt glich, die ich zwei Stunden zuvor verlassen hatte; doch ungleich markanter, wuchtiger, eben großstädtischer mutete sie an. Und nachdem ich den schrecklichen Bahnhofsvorplatz und den Kaisersack hinter mir gelassen hatte, flanierte ich mitten auf der Straße; es war Markttag und ich gönnte mir einen Espresso (was sonst), nicht ohne dem Barista vorher zu lauschen, welche Qualitäten seine beiden Sorten im Angebot entfalteten, der dunkle Robusta-Kaffee und der reinrassige Arabica. Selbstverständlich begehrte er mein Urteil zu wissen, als ich die geleerte Tasse zurückbrachte. Ich schlenderte weiter und kam zu den Anlagen – und mein Herz bebte ob des schier überwältigenden Eindrucks, den die Hochhaus-Silhouette an gerade dieser Stelle bei diesem Wetter vermittelte. Wenn ich die Neue Mainzer Straße, diesen Inbegriff von Hochhaus-Schlucht mit Dauer-Baustellen, einmal außer Acht lasse – ich verspürte keinerlei Wehmut darüber, statt in Freiburg nun wieder in Frankfurt zu sein. Obwohl zu Hundert Prozent im Gegensatz – an beiden Orten ist die Möglichkeit gegeben, sich wohlzufühlen, auf jeweils ganz eigene Art.

13.2.2019

13.2.2019

Sparsamkeit ist eine vornehmlich deutsche Tugend, die nicht von vornherein sinnlos erscheint. Aber wo bleibt das Hohelied auf die Sparsamkeitsbemühungen der VGF, die für die technische Seite des Straßen- und U-Bahn-Betriebs – kurz: Stadtbahnbetriebs – in Frankfurt zuständig ist? Seit Jahren schon ist diese Gesellschaft bestrebt, den Stromverbrauch und damit wohl auch die Ausgaben für den Fahrbetrieb herunterzuschrauben. Als probates Mittel dafür sieht sie zum Beispiel – neben anderem – die Verkürzung der von ihr betriebenen Züge während der Nicht-Stoßzeiten an, wenn – so haben es womöglich statistische Erhebungen ergeben – nicht so viele Menschen die Bahnen benutzen, dass die U-Bahnen weiterhin mit drei Wagen fahren müssen (zumindest auf der A-Strecke von Norden Richtung Südbahnhof; auf der B-Strecke fahren die U 5 durchgängig in Doppel- und die U 4 sogar in Vierer-Traktion, wie es sich für eine Großstadt mit entsprechendem Massenverkehr auch gehört).

Allerdings ist auch insoweit Schilda nahe (Sie erinnern sich – der Ort mit den Schildbürgerstreichen…). Heute beobachtete ich im U-Bahnhof Römerstadt in der Zeit des auslaufenden Berufsverkehrs, wie ein Doppelzug der Linie U 9 längere Zeit an der Station hielt, weil ein Fahrer in den zweiten Wagen einstieg, um diesen abzukoppeln und – wieder rückwärts Richtung Ginnheim – aufs Abstellgleis auf der Niddabrücke zu rangieren, wo er dann den lieben langen Tag abgestellt bleiben sollte – denn die U 9 musste ja auf ihr Standardmaß von nur einem Wagen gekappt werden. Wo kämen wir denn hin, wenn es bei 2-Wagen-Zügen bliebe, aber nicht genug Fahrgäste einstiegen? Das Manöver nahm – weil das Signal nicht reagierte – knapp 5 Minuten in Anspruch, während derer der nachfolgende Zug der Linie U 1 Richtung Südbahnhof auf freier Strecke warten durfte, bis das Gleis wieder frei war; ebenso natürlich die zahlreichen am Bahnsteig wartenden Menschen, die in die Innenstadt fahren wollten. Fragt sich, ob der Aufwand sich lohnt. Das Fahrplangefüge auf der am meisten befahrenen Strecke Frankfurts bringt er allemal gehörig durcheinander. Immerhin: Jetzt kenne ich das Geheimnis der permanenten Verspätung auf der Linie U 1!

12.2.2019

12.2.2019

Bornheim ist zwar im Nordosten, aber dort gibt es den Süden. So nennt sich ein Café auf der oberen Berger Straße, in dem die heimische Szene frühstückt oder sich einfach nur was zu trinken gönnt. Das ist auch so wie ein wenig aus der Zeit gefallen… jedenfalls werden bei mir allein schon wegen der Deko Erinnerungen an die Hochzeit der Spontis wach, wenn ich mich dort einfinde, um mal außerhalb Bockenheims meinen Espresso zu schlürfen.

Aber auch hier sind wir in der Jetzt-Zeit, kostet der Kaffee eben einen aktuellen Preis und der Wein auch. Doch die Ruhe und das Ambiente lassen mich immer wieder gern einkehren und eine kurze Auszeit genießen. Die Berger Straße ist ja auch nicht gerade unbelebt – da mutet die Muße, die einem hier geboten wird, geradezu außergewöhnlich an. Kein Vergleich zu der umtriebigen (aber auch sehr zu empfehlenden) Wacker-Filiale am Uhrtürmchen oder dem daneben liegenden Croissant-Bisto, das den Franzosen nacheifern will. Da herrscht so reges Treiben, dass man Glück hat, überhaupt einen Platz zu bekommen. Und an Ruhe ist nicht zu denken. Aber hier wie dort – allein das Kaffee-Aroma macht süchtig…

11.2.2019

11.2.2019

Letzte Woche war ich glücklich, einmal nicht mit der U- und Straßenbahn zur Arbeit gefahren zu sein. Heute war es wieder wie sonst in diesem Winter, und ich war auch glücklich. Aus der U-Bahn heraus konnte ich sehen, wie sich die Autos bereits vor Ginnheim auf der Rosa-Luxemburg-Straße stauten. Auch nach Ginnheim hinein ging nichts mehr. Und von der Brücke über die A 66 bot sich das gleiche Bild. Montag früh wollen halt alle rein in die Stadt. Und im Februar (ebenso wie im November) ist die Stadt eben am vollsten, weil, so scheint es, die wenigsten in Urlaub sind.

Ich habe keine praktische Ahnung, ob es auf den Niederräder und Sachsenhäuser Einfallstraßen von Süden her genauso ist. Allerdings ist Frankfurt in dieser Hinsicht gespalten: Im Norden wurde noch ein Großteil jener Straßenplanungen in die Tat umgesetzt, die als Bestandteil des sogenannten Möller-Plans in den sechziger Jahren beschlossen worden waren. Wäre es nach den Planern gegangen, die Stadt wäre eine einzige Funktion des Automobilverkehrs geworden. Jeweils mehrspurige Straßen hätten die Stadtteile und das Zentrum quer und längs durchpflügt; gewachsene Viertel wären soweit kastriert worden, wie Platz für Hochstraßen und Rampen benötigt worden wäre; eine Katastrophe, wie man sie in Ginnheim unter den Stelzen der Schnellstraße nur allzu krass sehen kann. Die Bewohner der südlichen Stadtteile und auch des Zentrums (wenn es welche geben sollte) können sich glücklich schätzen, dass die Pläne irgendwann in den Schubladen verschwanden. So sind die amerikanisch anmutenden Verbindungen von Norden her zwar ausgebaut, aber Stückwerk geblieben, mit allen nachteiligen Folgen, die nur denkbar sind. Der Stau lässt immer wieder grüßen, vor allem montags im Februar…

10.2.2019

10.2.2019

Von der Umgebung, die das Beste an Frankfurt ist, bereise ich – als Heddernheimer – natürlich eher den nördlichen Teil. Der fängt zwar schon im Niddatal an, aber wenn man Bad Vilbel hinter sich gelassen hat, ist man wirklich weit draußen. Out there, wie die Amerikaner von Kansas sagen. Und es ist wahrlich nicht nur flach, wie man es von der Wetterau denken würde. Zwischen Bad Vilbel, Niederdorfelden und Kilianstädten einerseits und Bergen-Enkheim sowie Maintal andererseits erstreckt sich ein Höhenrücken, von dessen Grat man den Taunuskamm erspähen und bis in den Vogelsberg respektive – in südlicher Richtung – in den Spessart schauen kann; bei gutem Wetter ahnt man sogar den Odenwald im Dunst. Zwar konfrontiert dabei auch das Kraftwerk bei Seligenstadt mit der dicken weißen Rauchfahne den Blick; aber es wirkt schon majestätisch, von hier oben die riesige Mainebene zu überblicken.

Der kleine Buchenwald auf dem Höhenrücken, der auch einen Parkplatz umsäumt, steht zwar immer noch. Allerdings ragen nur noch vereinzelt mächtige Stämme älterer Bäume gen Himmel. 1994, als ich zum ersten Mal hier spazierenging, kam es mir noch vor, als durchschritt ich einen Urwald. Schon damals mächtige Buchenstämme, aber ungleich zahlreicher und umgeben von dichtem Unterholz. Na ja, 25 Jahre sind eine lange Zeit, und es ist ja üblich, dass die armen Waldarbeiter in den Wintermonaten die Kreissäge bedienen müssen, sonst hätten sie Langeweile. Aber etwas wehmütig erinnerte ich mich doch an meinen ersten Eindruck von diesem Wald, der jetzt in weiten Teilen gelichtet ist. Bleibt der Trost, dass das Unterholz nach wie vor da, nur größer geworden ist und Hoffnung darauf bietet, dass das doch mal wieder ein richtiger Hochwald werden wird. Mal sehen, wie es in 25 Jahren dort aussieht…

9.2.2019

9.2.2019

Das Beste an Frankfurt ist seine Umgebung. Und die Tatsache, dass man da so schnell hinkommt – so schnell, dass man sich fragt, ob man sich nicht womöglich doch noch in Frankfurt befindet. Ein Highlight ist der Dottenfelder Hof in Bad Vilbel, der freilich nur mit dem Fahrrad oder dem Automobil einigermaßen kommod erreicht werden kann. Zwar gibt es an der Zufahrtsstraße durchaus eine Bushaltestelle; aber das ist dann doch etwas beschwerlich, vor allem, weil die Einkäufe wieder dorthin geschleppt werden müssen. Und wer weiß, wann da ein Bus fährt.

Ansonsten ist eine Fahrt dorthin Urlaub. Natürlich ist es am Samstag extrem voll. Jeder, der Wert auf gute Lebensmittel legt und nicht darauf erpicht ist, sich Stress zu machen und auf den Erzeugermarkt zu gehen oder mitten in Bad Vilbel den Marktwagen zu besuchen (was schon wegen der notwendigen Parkplatzsuche ein zeitraubendes Vergnügen ist), macht halt einen Ausflug in dieses ländliche Kleinod und den angeschlossenen Laden. Dennoch, selbst im dicksten Gewimmel behalten die guten Geister des Hofs die Nerven und die Ruhe und anders als im Supermarkt stellt sich sogar an der Schlange vor der Kasse jene Ruhe ein, die das Ganze als Freizeitaktivität statt als notwendiges Übel erscheinen lässt. Schade, dass mich der Sturm heute davon abhielt, eine Fahrradtour zu machen. Dafür gab’s dann noch Leckeres in der Vilbeler Innenstadt. Frankfurt? Habe ich nicht vermisst!

8.2.2019

8.2.2019

Der Wandel schreitet voran, auch auf der Adalbertstraße. Da blieb lange alles eher unverändert, bis nach und nach einige Kioske für dies und das in Ladengeschäften eröffneten (ja, einer hat Hunderte von Biersorten im Angebot; da kann man die Flaschen im Schaufenster besichtigen!), der Grieche neben dem Hama Sushi dann doch zum Türken mutierte und nun Döner bietet und seit neuestem auch noch ein Laden Waren offeriert, deren Verpackung man selbst mitbringen muss. Plastik liegt schon zuviel in den Weltmeeren, da ist es gut, wenn man wenigstens mal anfängt, weniger davon zu verbrauchen.

Unverändert halten aber Carl Topp mit seinem Bürstenladen und eine von außen heruntergekommen aussehende Drogerie ein paar Häuser weiter der Straße und der Kundschaft die Treue. Was selbst ich nicht wußte: Der Bürstenverkäufer ist nicht mehr der offenkundig selige Herr Topp; als Inhaber fungiert jemand anders. Man sieht ihn immer mittags mit seinem Hundchen die Straße lang spazieren. Doch die Ware dürfte selbst der alte Herr wohl teilweise noch gekannt haben. Das Sortiment ist so traditionsgeladen wie die Regale und Schubladen, in denen es auf die Käufer wartet, genauer gesagt darauf, dass der Mann hinter der Theke hineingreift und es herausholt. Wo sonst gibt’s denn sowas noch?? Ein Wunder, für das nur allerherzlichst gedankt werden kann. Klar, dass ich die neue Spülbürste oder den Bartkamm nur dort erstehe. Oder eben einen neuen Besenstiel. Was ich von Drogerieartikeln freilich nicht sagen kann – die bietet die Straße entgegen aller Vermutung ob des Ladenschilds nicht. Die genannte Drogerie erinnert schon von außen an ein Relikt aus den Fünfzigern; alles verstaubt, Vorhänge hinter der Auslage, und vor allem: Dunkelheit und Mysterium. Ein früherer Bekannter erzählte mir mal, der Betreiber kenne sich in schwarzer Magie aus. Das klang sehr plausibel und ist es auch heute noch. Dabei knarrt die Tür noch nicht einmal – ich habe noch niemals jemanden dort hineingehen sehen. Und erst recht nicht herauskommen…

7.2.2019

7.2.2019

Normalerweise gibt’s hier ja keine Fortsetzungsromane. Doch heute schließe ich mal an meine gestrigen Bemerkungen an. Wer einmal in Portugal seinen Urlaub verbracht hat, wird es schnell spüren: Die Atmosphäre im Avereinse, dem portugiesischen Laden, der eigentlich in Offenbach beheimatet ist, vor einigen Jahren aber in wesentlich größeren Geschäftsräumen hier in Heddernheim eine Filiale eröffnete, ist einfach nur authentisch. Schon das gesamte Ambiente lässt keinen Zweifel aufkommen, dass man hier nicht im neuerdings immer mehr auf Hip gestylten Rewe oder gar einem Bio-Markt einkauft. Gemüse und Obst liegen halt einfach so im Regal; original portugiesische Fischdosen mit Lulas, Sardinas und Pulpo, wie ich sie erstmals im Mercado in Vilamoura sah, liegen auf- und nebeneinandergestapelt und natürlich fehlt auch eine exzessive Weintheke nicht, selbstverständlich mit einem Angebot ausschließlich portugiesischer Provenienz.

Die Herzen des Portugal-Fans höher schlagen lässt aber vor allem die angeschlossene Cafeteria. Der Espresso ist dort zwar doppelt so teuer wie in südlichen Gefilden, aber immer noch unschlagbar günstig – schmeckt aber dennoch wie eben eine Bica schmecken muss. Klar, dass auch hier eher rustikaler Stil gepflegt wird; die schweren Metall-/Holz-Stühle schrammen auf den Keramikfliesen mit schrillen Tönen, wenn man sich setzt, und Selbstbedienung ist angesagt. Doch das Portugiesische daran ist: Der Kaffee krönt den Einkauf, nachmittags dann noch zusammen mit einem selbstgebackenen Rührkuchen genossen, bei dem jede traditionelle deutsche Hausbäckerin (oder -bäcker) nur neidisch werden kann. Wirklich jeder Kunde geht zum Abschluss dahin, nippt an der Tasse, isst den Kuchen (mit Messer und Gabel) und plaudert mit den Menschen hinter der Theke oder am Nachbartisch. Wundert’s, dass die Einkaufszeit etwas länger dauert als bei den gestresst-hektischen Mitteleuopäern? Und auch wenn man an der Kasse mal etwas geduldig sein muss – mir genügt es, die zischenden Laute zu hören, die die Landessprache auszeichnen; dann fühle ich mich tatsächlich wie an einem anderen Ort. Zu welchem Strand wollen wir denn gleich gehen, Martinhal oder Béliche?

6.2.2019

6.2.2019

Im vergangenen Jahr feierte das Nordwestzentrum sein 50jähriges Bestehen. Es ist nicht annähernd mehr mit dem zu vergleichen, was 1968 da eröffnet wurde. Die nackten, grauen Waschbetonwände der Gebäude erhielten ein Facelifting mit hellen Steinplatten, und man steht nicht mehr so im Wind, der früher gnadenlos durch die Häuserzeilen peitschte, weil das Zentrum seit den neunziger Jahren weitgehend überdacht ist. Vor allem hat sich die Zahl der Läden vervielfacht und damit in gleicher Weise diejenige derer, die dort einkaufen oder welchen Vergnügungen auch sonst immer nachgehen.

So belebt nun das Nordwestzentrum infolge all dieser Umgestaltungen ist, so tot fühlt sich der benachbarte Heddernheimer Ortskern an. Sicher, die Nordweststädter sind da noch nie zum Bummeln hingegangen. Aber noch in den 70er, 80er Jahren war das von der Heddernheimer Landstraße und der Nassauer-/Kirchstraße gebildete Straßenkreuz ein urbaner Mittelpunkt. Es gab noch vielfältigen Einzelhandel mit entsprechendem Publikumsverkehr der Einheimischen, einschließlich der so gegebenen Möglichkeiten, Bekannte zu treffen und mit ihnen ein Schwätzchen zu halten. Das hat sich radikal verändert. Zwar bieten mehrere Pizzerien und Döner-Läden sowie ein permanent kundenloser Tandoori-Inder-Pakistani neben den beiden Aufback-Bäckereien zumindest leibliche Nahrung. Eine Müsli-Manufaktur ist hinzugekommen, die aber nur freitags am Nachmittag kurzzeitig geöffnet hat. Und ein Weltwunder stellt die Chimaira-Buchhandlung dar, die es geschafft hat, schon mehrere Jahre dort zu überleben, wo fast niemand mehr flaniert. Die Gemüseläden, in denen man noch bedient wurde, sind allerdings verschwunden. Allerdings bietet Avereinse, der portugiesische Supermarkt, seit einigen Jahren die Möglichkeit, in heimischer Umgebung Reminiszenzen an sonnige Urlaubszeiten aufkommen zu lassen. Erstaunlich, wieviele Portugiesen in Frankfurt leben; an Samstagen hört man im Laden kein deutsches Wort. Also, die Struktur ist da – aber die Ruhe, die tagsüber herrscht, wirkt gespenstisch.