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Monat: Januar 2019

19.1.2019

19.1.2019

Nichts ist so beständig wie der Wandel, hat mal jemand gesagt, ich weiß nicht wer; oder ist es ein allgemeiner Sinnspruch? Wie dem auch sei – es stimmt. Das wird manchmal erst deutlich, wenn man plötzlich wahrnimmt, dass schon lange alles irgendwie anders war als vorher, ohne dass man so richtig Notiz davon genommen hätte.

In der Pizzeria saßen jedenfalls drei Mitarbeiter der Informatik der Universität, die mir früher dort regelmäßig beim Verspeisen meiner Pizza Rucola Gesellschaft leisteten. Zuweilen schwatzten wir miteinander, wenn sie nicht gerade – wie ziemlich oft – Fachliches zu besprechen hatten. Ich weiß, dass dieser Teil der Uni lange auf dem Campus in Bockenheim verblieben war. Aber gesehen haben wir uns schon lange nicht mehr, und möglicherweise sind auch sie zuguterletzt ins Westend übergesiedelt. So rechte Wiedersehensfreude kam freilich nicht auf. Ja, auch die vielen jungen Menschen asiatischer Herkunft, immer fröhlich lächelnd und auf keinen Fall das selbstgemachte Tiramisu auslassend, erscheinen schon lange nicht mehr hier in der Mittagspause. Ob sie etwa jetzt nebenan beim Koreaner oder drei Häuser weiter beim Sushi-Laden einkehren? Und nicht zu vergessen: Die Pizza backt nun auch ein anderer…

18.1.2019

18.1.2019

Auf dem Weg vom Nordwestzentrum zur Apotheke in der Römerstadt – es ist schon dunkel – tönt auf einmal volles Glockengeläut aus dem Turm von St. Sebastian. Ich höre das ja sonst allenfalls von fern, und meistens sind es die Heddernheimer Kirchen, die mir dem Sonntagmorgen durch ihre Glocken eine weihevolle, ich finde: geheimnisvolle und andächtige Stimmung verleihen.

Die sonst so profan und nüchtern anmutende Nordweststadt – sie erhält von einer Sekunde auf die andere so etwas wie Heiligkeit und Urbanität. Von allen Seiten strömen tatsächlich… na ja, ich will’s nicht übertreiben – von allen Seiten kommen Passanten, eindeutig auf dem Weg zum Gottesdienst. Wie ich einem Anschlag an der Tür entnehme, wird heute eine besondere Messe zum Patrozinium gefeiert. Wie bitte? Dieses Wort hatte ich bislang noch nicht vernommen; es meint die Schutzherrschaft des Kirchenpatrons, und der Feiertag des Heiligen Sebastian ist dann wohl heute, oder? (Damit oute ich mich definitiv als Ungläubigen…) Aber dies alles gibt mir Anlass, mal ins Innere der Kirche zu schauen, und tatsächlich – selbst in einem modernen Gemäuer kann so etwas wie mystische Atmosphäre leuchten! Das spärliche Licht, die hellen Bruchsteinwände, die abgesetzten Glasquader, das Holz und der nackte Beton – alles zusammen ein geheimnisvoll anmutendes, warmes Stimmungsbild, und das in einer Trabantenstadt!

17.1.2019

17.1.2019

Wer noch ein wenig auf seine Umgebung achtet, muss hartgesotten sein. Öffentliche Verkehrsmittel waren zwar noch nie dafür berühmt, Horte der Pflege zwischenmenschlicher Kommunikation zu sein. Ausnahmen kommen vor, wie ich selbst neulich erlebt habe, sind aber selten. Allerdings erinnere ich mich noch an Zeiten, zu denen wenigstens in den Abteilwagen der ehemaligen Deutschen Bundesbahn dann und wann ein Gespräch mit den Mitreisenden zustandekam. Aber in den Zügen der privatisierten Nachfolgeorganisation dominiert auch in den Abteilen weitgehend das Schweigen.

Meine heutige Fahrt zur Arbeit ließ mich jedoch erschrecken. Schon beim Einsteigen in die U-Bahn bemerkte ich einen Mann mittleren Alters, der sich mit langsamen Schritten, den Blick starr auf sein Handy-Display gerichtet, in die Richtung der Nachbar-Tür zubewegte und den Knopf zum Öffnen erst mal nicht fand. Wie auch, war er doch offenkundig anderweitig beschäftigt… Zwei Stationen weiter musste die Bahn länger halten, weil Ebenderselbe, mit den Augen immer noch in die gleiche Richtung wie Minuten zuvor starrend, diesmal aber noch mit den Fingern klimpernd, erst sehr spät mitbekam, dass er eigentlich aussteigen wollte, und dies dann auch – langsamen Schrittes – in die Tat umsetzte, dabei aber fast hinausfiel, weil er den Blick nicht hob und so nicht sah, wo er hintrat. In diesem Moment sah ich mich um: Ich war umgeben von Menschen, die nur nach unten schauten; alt und jung, männlich wie weiblich, teils mit Stöpseln im Ohr; mit ihren Sinnen abwesend, jedenfalls nicht im Raum anwesend, sondern in einer fiktiven Welt, die sich auf einem winzigen Bildschirm-Geviert ereignete, mit der Wirklichkeit, dem Augenblick aber rein gar nichts zu tun hatte. Die Bahn war brechend voll – doch ich fühlte mich nur einsam.

16.1.2019

16.1.2019

Zum ersten Mal im neuen Jahr mit dem Fahrrad zur Arbeit! Das kostete am Vormittag noch Überwindung – grau, mit wolkenverhangenem Himmel kam der Tag daher, und obwohl kein Frost war, blies der Wind aus Nordwest eisig. Aber umso schöner dann die Rückfahrt am Nachmittag bei pastellblauem Glanz, zunehmendem Sonnenschein und – Rückenwind!

Am Ufer der Nidda entlangfahrend erspähte ich gleich drei Enten und einen Erpel, die ihre Schwänzchen in die Höh reckten, weil sie mit den Schnäbeln im Trüben fischten. Wasserhühner schwammen aufgeregt umher, die 2 mittlerweile Heddernheimer Bewohner gewordenen Nilgänse steckten auf der Uferböschung noch ihre Köpfe ins Gefieder und vier Spaziergänger amüsierten sich über die niedliche Nutria-Familie, die gerade die mitgebrachten Futterreste der Menschen verputzte, wie das eben Bisamratten so tun – possierlich, die Karotte in den Pfoten haltend und laut schmatzend und mit den Kiefern mahlend. Den Erwachsenen spart’s den Eintrittspreis für den Zoo, auch wenn die Nagetiere auf diese Weise nicht artgerecht ernährt werden. Und so fern der Frühling noch ist – eine Ahnung konnte man heute davon schon haben, im Biotop Frankfurt…

15.1.2019

15.1.2019

Was im Bereich der Müllentsorgung… äh… pardon, der Wertstoff-Wiederaufbereitung der Wertstoffhof, ist im Bereich der ökologischen Hauserwärmung die „Einblaspauschale“. Um Himmels willen, nun denken Sie bitte bloß nicht ans Falsche! Da wird nicht pauschal etwas eingeblasen, sondern damit bezeichnen die Lieferanten den Betrag, den sie dafür nehmen, dass sie einen „Befüllschlauch“ von einem Lieferwagen an ein Pellets-Lager anschließen lassen, um dann mit Hilfe von Luftdruck die Pellets vom Wagen in das Innere des Lagers befördern zu können. Einschließlich des Einblasens.

Vorher muss noch ein „Einblasprotokoll“ ausgefüllt werden, damit dokumentiert wird, ob der werte Kunde in einen „Sacksilo“ einblasen lässt oder über einen massiven (!) Lagerraum verfügt. Auch die „Lageraustragung“ interessiert – Saugsystem oben, Saugsystem unten, Schnecke? Erst zum Ende der Befüllung, pardon, des Einblasens kommt die Überraschung: Wird 3 Lieferungen hintereinander tatsächlich die bestellte Menge auch eingeblasen (und nicht weniger!), dann – ja, dann wird, gleichsam als Belohnung, die Einblaspauschale nicht berechnet! Glücklich, wer die Füllmenge des Lagers im Kopf hat und abschätzen kann, wieviel Platz die zuvor verbliebenen Pellets dort noch gelassen haben!

14.1.2019

14.1.2019

I’m growing old. Zugegeben – geklaut aus „True Grit“, aus dem Munde Rooster Cogburns, aber wahr für jeden von uns. Banal, aber unabänderlich. Heute fiel es mir nur mal wieder besonders auf. Ich fahre nämlich jetzt immer mit der Straßenbahn zum Rebstockbad. Das ist zwar umständlich, weil ich zweimal umsteigen muss, aber es konveniert mir derzeit ungemein – das Autofahren, zumal in der Stadt, macht keinen Spaß mehr.

Früher hätte mich freilich schon allein ein Blick auf den Zeitunterschied anders handeln lassen. Nur knapp mehr als 10 Minuten by car, während die Fahrt mit dem ÖPNV gut und gerne dreimal so lange währt (wenn alles klappt)! Doch nun liebe ich es, gefahren zu werden, statt selbst am Steuer zu sitzen und ständig auf den Verkehr zu achten, der ja auch nicht weniger geworden ist. Und heute ertappte ich mich doch tatsächlich beim Rausgucken dabei, wie ich einfach immer wieder die wechselnde Perspektive genoss und – bei strahlendem Sonnenschein am späten Nachmittag – trotz aller Hin- und Herwindungen des Schienenwegs und der engen Kurven selbst mit wachsender Entfernung immer wieder die blau glänzende, runde, aber immer kleiner erscheinende Scheibe des Radisson-Hotels am Katharinenkreisel erspähte, an der ich zu Beginn vorbeigefahren war. Das wär mir früher gar nicht aufgefallen. Bummeln kann doch schön sein!

13.1.2019

13.1.2019

Die Weihnachtstage brachten viele Pakete ins Haus. Im Keller gab’s kaum noch ein Durchkommen. Und ob der Menge schien es wenig ratsam, den üblichen Entsorgungsweg über die Papiertonne zu nehmen. Also – Erkundungsfahrt zum Kofferraum-Service beim „Wertstoffhof Nord“ in Kalbach. Ja, so nennen sich heute die Müllsammelstellen! (Nein, diese Fahrt fand natürlich nicht heute – am Sonntag – statt. Aber heute fand auch sonst nichts statt, wegen des Dauerregens, und über irgendetwas muss ich ja schreiben…)

Regenverhangen war es allerdings auch an jenem Tag. Das Gewerbegebiet, an dessen äußerstem Ende der Wertstoffhof errichtet wurde, hat Obstbaumwiesen und Äcker einer völlig neuen Bestimmung zugeführt… Da wir morgens noch kurz vor der Öffnung ankamen, mussten wir uns erst einmal in die Schlange der wartenden Fahrzeuge einreihen. Die Schlange blockierte in der eher schmalen Straße für Minuten einen Lastwagen, dessen Fahrer das allerdings mit selten gewordener Geduld akzeptierte. Doch dann öffnete sich das Tor, hilfsbereite, orangegewandete Mitarbeiter der FES lotsten uns zu den richtigen Containern, und jeder grüßte mit einem freundlich-kräftigen „Morgen!“ und lächelte uns zu. Da war dem Herz schon viel fröhlicher zumute als das Wetter erwarten ließ!

12.1.2019

12.1.2019

saasfee! Ich meine hier nicht den Wintersportort in den Schweizer Alpen; der hat mit diesem Kaleidoskop nichts zu tun. Nein – saasfee ist mein Programmhöhepunkt bei radio x, dem unabhängigen Frankfurter Stadtradio mit dem alternativen Radioprogramm für alle diejenigen, die das seichte Angebot des HR und all der anderen gleichförmigen Radiosender nicht mehr ertragen. Darum heißt die Sendung ja im Nachklapp auch „peak show“. Alle 4 Wochen bringt radio x für 2 Stunden am Freitagabend dieses wunderbar schräge, verspielte, undergroundig-experimentelle Tonkunstwerk.

Natürlich, was da jeweils gespielt wird, ist immer eine Überraschung; manchmal schalte ich auch nach kurzer Zeit wieder aus, weil’s mir zu bunt wird (ja, ja, Stichwort Reizüberflutung…). Aber zumeist komme ich aus dem Staunen nicht heraus. Da werden Tonfragmente und absurde Textschnipsel an sich steigernde Techno-Sounds oder andere Grooves gereiht und miteinander gemixt, dass es nur so eine Hör-Lust ist. Ersetzt garantiert jede Substanz zur Stimmungsaufhellung und zum Chillen…

11.1.2019

11.1.2019

Die Straßenbahntür öffnet sich, aber an Einsteigen ist nicht zu denken. Der Zugang wird ausgefüllt durch einen Rollstuhl, in dem eine offenkundig fremdländische Frau sitzt, die nach draußen starrt. Sie scheint sich weder bewegen noch artikulieren zu können. Ihr Blick offenbart Hilflosigkeit. Für einige Sekunden, die sich viel länger anfühlen, geschieht gar nichts. Doch dann packen wir, ohne dass irgendeine Absprache stattgefunden hätte, mit insgesamt 8 hilfsbereiten Händen an und heben den Rollstuhl nach draußen.

Ein selbstverständlicher und doch, so wirkt es, außergewöhnlicher Vorgang. Wie diese Hilfsaktion so spontan, in gleichsam blindem Verständnis mit dem Blick für das Wesentliche vonstatten ging – die Mitmenschlichkeit! Sie löste darüber hinaus etwas aus, was sonst in einer Straßenbahn Seltenheit hat: Ein Gespräch unter Menschen, die sich nicht kennen. Eine Frau – sie hatte mitgeholfen – kann sich gar nicht beruhigen ob der Hilfsbedürftigkeit, deren sie gerade Zeugin geworden war; sie unterhält sich mit mir aber auch sonst über alles Mögliche, bis sie aussteigt. Eine Begegnung, die diese Fahrt als etwas Besonderes erscheinen lässt.

10.1.2019

10.1.2019

À propos Adalbertstraße: In ihr spiegelt sich das ganze Elend Frankfurter Stadtgestaltung. Ein Musterbeispiel dafür, wie die Stadtplaner Dinge in den Sand setzen. Ihr heutiges Aussehen erhielt sie mit dem Abschluss des ersten großen Sanierungsprojekts nach dem Krieg, der Sanierung Bockenheims. Ich bin vorher noch mit der Straßenbahn von Praunheim Richtung Innenstadt da durchgefahren, als sich die Straße zur Bockenheimer Warte hin drastisch verengte und die Autos der Bahn permanent den Weg versperrten.

Heute sind die Engstellen nicht mehr kriegsbedingt, sondern planungsbedingt, und sie treffen vorwiegend die Fußgänger. Sie müssen sich das auch so schon schmale Trottoir mit den Radlern teilen, die trotz der geraden Linienführung der Straße immer wieder kleine Kurven zu bewältigen haben, weil für Abbiegespuren unbedingt Platz sein sollte, die allerdings permanent zugeparkt sind. Die Kollisionen sind vorprogrammiert, zumal, wenn Passanten auch noch Kinderwagen vor sich herschieben. Denn die möglichen Ausweichstellen rechterhand, unter den Kolonnaden – aber darf man die überdachten Gänge an den Häuserfronten tatsächlich so wohlwollend benennen? -, sind vollgestellt mit – ja, Kaffeehaus-Stühlen, vermutlich ohne dass die Kaffeehaus-Betreiber über die notwendige Sondernutzungserlaubnis verfügen. Ihren eigentlichen Zweck erfüllen die Kolonnaden darum nicht mehr. Um Depressionen zu vermeiden, darf man nicht an italienische Stadtarchitektur denken…